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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konnte, in das weiße Fell des Wolfs und versuchte so, die schnappenden Kiefer von sich fernzuhalten.
    Seine Kräfte reichten nicht. Die Zähne der Bestie näherten sich seiner Kehle, langsam, mit kleinen, fast mechanisch wirkenden Rucken, aber auch unaufhaltsam.
    Beinahe - nicht ganz, aber eben doch
beinahe -
war er sogar sicher, daß der Wolf längst nicht seine ganzen Kräfte entfesselte, sondern nur einen Bruchteil, genug, um immer ein ganz kleines bißchen stärker zu sein als er, ganz egal, wie verzweifelt er sich auch gegen ihn wehrte, und aus keinem anderen Grund als dem, das grausame Spiel noch weiter in die Länge zu ziehen, ihn immer wieder mit der verzweifelten Hoffnung auf einen Sieg zu erfüllen, um ihn dann um so härter zu treffen.
    Die Zähne der Bestie schnappten einen Zentimeter vor seinem Gesicht zusammen; dann so dicht, daß er spüren konnte, wie sie über seine Haut schrammten und blutige Kratzer hinterließen. Der Schmerz war nichts, ein Witz gegen das, was er vorher erlitten hatte, und doch wirkte er ungleich stärker.
    Etwas in ihm schrie auf. Der Wolf in ihm erwachte endgültig, stemmte sich gegen seine von der Säure des Kummers zerfressenen Ketten und sprengte sie mit einem einzigen, wütenden Aufbäumen. Er war frei. Das Ding von der anderen Seite hatte die Drehtür endgültig durchschritten und erhob sein häßliches Haupt zu einem triumphierenden Gebrüll, und Stefan wußte mit unerschütterlicher Sicherheit, daß es nie wieder gehen würde. Er hatte nicht die Spur einer Chance, es wieder in die dunklen Abgründe seiner Seele zu verbannen, aus denen es hervorgekrochen war, denn es war mit einem Mal stärker als er.
    Es spielte keine Rolle, denn das Monster, das ihn vernichten würde, erfüllte ihn zugleich auch mit Kraft, dem kompromißlosen, brutalen Willen zu siegen, ganz egal um welchen Preis, und das allein zählte. Was danach kam, war egal. Sein Leben war vorbei. Nach seiner Menschlichkeit hatten sie ihm nun auch noch die Frau genommen, die er liebte, und sein Kind. Wahrscheinlich würde er sterben, oder zumindest zu etwas werden, das nicht mehr viel mit dem gemein hatte, was er bisher gewesen war; aber wenn er sein Ziel erreichte, dann war ihm das diesen Preis wert.
    Rache.
    Sie hatten ihn belogen. Sie hatten ihm alles genommen, was er besaß, bis hin zu seiner Menschlichkeit, und dafür würden sie bezahlen!
    Mit einem einzigen, zornigen Ruck stieß er den Wolf von seiner Kehle weg, riß ihn gleichzeitig in die Höhe und auf die Hinterläufe, und drehte ihn herum. Der Wolf stieß ein überraschtes Jaulen aus; für eine oder zwei Sekunden war er verwirrt; und als er begriff, was mit seinem vermeintlich hilflosen Opfer geschehen war, war es zu spät. Stefan stand plötzlich hinter ihm, hatte die Arme um seinen Hals geschlungen und zerrte seinen Kopf mit aller Kraft zurück.
    Der Wolf heulte. Selbst in dieser ungünstigen Stellung, auf die Hinterläufe aufgerichtet und mit seinem Gegner hinter sich, war er noch stärker als Stefan. Er begann zu toben, warf sich wie wild hin und her und versuchte, den Kopf so weit zu drehen, daß er Stefan ins Gesicht beißen konnte.
    Stefan verdoppelte seine Anstrengungen, die tobende Bestie zu halten. Er ergriff sein linkes Handgelenk mit der rechten und drückte mit aller Gewalt zu, aber seine Kraft reichte einfach nicht, um den Wolf zu erwürgen, oder ihm gar das Genick zu brechen,
    Dafür wehrte sich der weiße Wolf immer verbissener. Seine schnappenden Kiefer kamen Stefans Gesicht immer näher. Er konnte den Kopf nicht weit genug drehen, um Stefans Kehle zu erreichen, aber das war auch nicht nötig. Ganz egal wo, wenn er ihn erwischte, war es aus.
    Als hätte er seine Gedanken gelesen, verstärkte der Wolf seine Anstrengungen noch. Stefan wurde nach hinten getrieben und prallte so schmerzhaft mit den Nieren gegen die Kante des Waschbeckens, daß ihm vor Schmerz übel wurde. Für den Bruchteil einer Sekunde lockerte sich sein Griff, und der Wolf nutzte diese Chance gnadenlos. Er bäumte sich abermals auf, warf sich herum und drehte den Kopf in einem unmöglich erscheinenden Winkel nach hinten. Seine Zähne schnappten zu und rissen Stefans Wange auf. Sein linkes Auge erlosch, und der Geruch seines eigenen Blutes trieb ihn fast in den Wahnsinn.
    Trotzdem lockerte er seinen Griff nicht. Er sackte hilflos an der Kante des Waschbeckens entlang zu Boden, spürte, wie sie schmerzhaft an seinen Rippen entlangschrammte, klammerte sich aber trotzdem

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