Wolfsherz
brennt.
»Nein«, sagte Stefan.
White gab sich Mühe, seine Stimme so mitfühlend wie nur möglich klingen zu lassen, als er antwortete. »Das macht Ihre Frau nicht wieder lebendig«, sagte er. »Und das Kind auch nicht. Glauben Sie mir, niemand hat etwas davon, wenn Sie auch noch sterben, Stefan.«
»Wer sagt, daß ich das will?« antwortete Stefan.
»Dann kommen Sie mit mir«, sagte White. »In zehn Minuten steht das gesamte Haus in Flammen.«
»So lange brauche ich nicht.« Stefan deutete auf den Wolf. Er war noch weit davon entfernt, genau zu verstehen, was mit und in ihm geschah, und vielleicht würde er das sogar niemals, aber er konnte bereits recht gut abschätzen, wie lange es dauerte. White hätte nicht mehr allzulange auf sich warten lassen dürfen.
»Wie meinen -« Whites Blick folgte seiner Geste. Seine Augen wurden groß, und seine Worte gingen in einem erstickten Keuchen unter. Der Wolf...
bewegte
sich! Seine Tatzen zuckten, und sein zerschmetterter Schädel schien sich von innen heraus zu regen, als zerflössen die zerbrochenen Knochen zu etwas Weichem, Ungeformten, das sich neu bilden konnte.
»Aber das... das kann doch nicht...«, stammelte White. Dann fuhr er mit einem Ruck herum und starrte Stefan an. Seine Augen quollen ein Stück aus den Höhlen.
»Es ist wahr!« flüsterte er. »Die Geschichten, die die Leute dort erzählt haben, sind -«
»Tun Sie nicht so!« unterbrach ihn Stefan kalt. »Sie haben es genau gewußt.«
»Aber das sind doch nur Legenden!« Whites Stimme wurde schrill. »Ein dummer Aberglaube! Es gibt keine Werwölfe, so wenig wie Geister oder Vampire!«
Stefan war nicht einmal sicher, daß es die beiden Letztgenannten nicht auch gab. Nein, er war sicher,
daß
es sie gab, in irgendeiner Weise. Er deutete auf den Wolf. »Sagen Sie ihm das.«
Der Wolf bewegte sich stärker. Seine Hinterläufe kratzten über den gefliesten Boden und verursachten ein Geräusch wie Messerklingen auf Glas, und sein zerschmetterter Schädel begann sich vor ihren Augen neu zu formen. Er atmete, ein hektisches, qualvolles Hecheln. Die Heilung verlief schnell, aber nicht schmerzlos.
White griff unter seine Jacke und zog seine Pistole. Beinahe schneller, als Stefan reagieren konnte, fuhr er herum und setzte die Waffe an den Hinterkopf des Wolfs.
Im buchstäblich allerletzten Moment schlug Stefan seinen Arm beiseite.
Der Schuß löste sich trotzdem, aber statt den Schädel des Wolfs zu zerschmettern, zertrümmerte er nur den Spiegel und stanzte ein faustgroßes Loch in die Wand dahinter.
»Nein!« sagte Stefan.
»Sind Sie verrückt!« keuchte White. »Dieses... dieses
Ding
hat Ihre Frau getötet!«
»Und er wird dafür bezahlen!« Stefan streckte fordernd die Hand aus. »Geben Sie mir Ihre Waffe.«
White zögerte einen Moment. Dann drehte er die Magnum herum und reichte sie ihm mit dem Griff voran. Stefan nahm die Waffe entgegen und kontrollierte die Trommel. White hatte nachgeladen. Nur eine einzige Patrone fehlte. Stefan klappte die Trommel zu, richtete den Lauf der Magnum auf White und fügte hinzu: »So wie alle anderen auch.«
White starrte die Waffe an. Stefan zweifelte nicht daran, daß er sie ihm spielend entreißen und ihn überwältigen konnte -oder zumindest glauben mußte, dazu in der Lage zu sein -, aber White rührte keinen Finger. Er blickte nur die Waffe an, dann ihn. Er wirkte ein bißchen enttäuscht, aber Stefan fühlte keine Angst. »Jetzt werden Sie mich also erschießen«, sagte er. Er zuckte mit den Schultern. »Irgendwann mußte es wohl einmal soweit kommen.«
»Das liegt ganz bei Ihnen«, sagte Stefan. Er stand auf, ging, ohne den Lauf der Magnum auch nur einen Millimeter von Whites Stirn wegzubewegen, um den Amerikaner herum und stellte sich breitbeinig über den Wolf.
Das Tier öffnete die Augen und starrte ihn an. In seinem Blick loderten Wut und Zorn, aber auch noch etwas; als wisse es, was nun kam.
»Sie haben mich belogen«, murmelte Stefan. Er war nicht einmal ganz sicher, wem die Worte galten. »Sie haben alles zerstört, was mir etwas bedeutet hat. Sie werden dafür bezahlen.«
Wie zur Antwort zog der Wolf die Lefzen zurück und knurrte. Er bewegte die Hinterläufe. Stefan sah auf White hinab. »Werden Sie mir dabei helfen, oder ziehen Sie es vor zu sterben?«
»Sie können mich nicht bedrohen, Stefan«, sagte White ernst. »Aber ich helfe Ihnen.«
»Gut.« Stefan beugte sich vor, setzte die Magnum dicht unterhalb des Schädels auf dem Rückgrat des
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