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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wolfs auf und drückte ab. Das Tier heulte schrill auf und lag dann still.
    White keuchte. »Großer Gott! Warum... haben Sie das getan?« Er sprang halb auf die Füße und erstarrte dann auf halber Höhe in einer fast grotesken Haltung.
    »Es wird ihn nicht umbringen«, antwortete Stefan. »Aber er wird eine Weile damit zu tun haben.«
    »Aber... aber warum...?« White schüttelte ununterbrochen den Kopf und streckte den linken Arm aus, um sich am Rand der Duschabtrennung festzuhalten, als reiche seine Kraft nicht mehr, um allein in die Höhe zu kommen.
    Stefan trat auf ihn zu. »Sie bleiben hier«, sagte er, während er White die Pistole reichte. »Wenn er zu sich kommt, wissen Sie, was Sie zu tun haben. Ich bin bald zurück.«
    White antwortete nicht, sondern starrte weiter aus aufgerissenen Augen abwechselnd auf den reglosen Wolf und die Waffe in seiner Hand, als versuche er sich vergeblich daran zu erinnern, was er damit anfangen sollte. Stefan ging an ihm vorbei, ließ sich neben Rebecca auf die Knie sinken und nahm sie auf die Arme. Sie war ihm noch niemals so leicht vorgekommen wie jetzt.
    Als er wieder das Gästezimmer betrat, fiel sein Blick auf das Bett. Eva lag immer noch dort; ihr Gesicht wirkte entspannt, als schliefe sie nur. Fast ohne zu wissen, was er tat, beugte er sich über das Bett und legte sich den kleinen, schlaffen Körper über die Schulter.
    Hitze und flackerndes rotes Licht schlugen ihm entgegen, als er auf die Treppe hinaustrat. Die Luft war so voller Rauch, daß er kaum atmen konnte. Unter ihm schien Bewegung zu sein, aber er war nicht sicher, ob dort noch jemand war, oder ihm das Feuer etwas vorgaukelte. Er hoffte, daß Dom und Robert entkommen waren.
    Das Wohnzimmer war bereits zur Hälfte ein Raub der Flammen geworden. Die ersten gierigen roten Finger griffen bereits nach der Treppe, aber Stefan trat einfach hindurch, ignorierte den kurzen, flüchtigen Schmerz und war mit zwei oder drei schnellen Schritten beim Fenster. Die Flammen folgten ihm, hieben wütend nach seinem Rücken und Rebeccas ungeschütztem Gesicht und schienen zu brüllen wie ein enttäuschtes Raubtier, das sich um seine Beute betrogen sah. So oder so, er wußte, daß sie ihm nichts anhaben konnten.
    Trotzdem beschleunigte er seine Schritte, sprang durch das zerborstene Fenster in den Garten hinaus und huschte in die Deckung der Schatten draußen. Er lief so weit, bis er Gewißheit haben konnte, daß Rebecca sicher vor brennenden Trümmerstücken und Flammen aus dem Haus war, dann ließ er sie behutsam ins Gras gleiten und sank neben ihr auf die Knie. Unendlich sanft strich er mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht, wie um ein letztes Mal Abschied zu nehmen. Dann legte er ihr das tote Kind in die Arme.
    Er richtete sich auf, schloß die Augen und drehte sich zur Straße herum. Der Wolf in ihm begann unruhig zu werden. Sie hatten ein Abkommen getroffen, vorhin, als er neben Rebecca gekniet und auf White gewartet hatte, und bisher hatte sich das Ding daran gehalten; es war ein Teil von ihm, etwas, das nicht nur seine innersten Geheimnisse kannte, sondern sein düsterstes Geheimnis
war,
und er konnte es nicht belügen. Aber nun wurde es ungeduldig. Es spürte die Gewalt, die diesen Ort beherrschte, und wollte töten.
    Sollte es.
    Der Gedanke war nicht
wie,
er
war
das Signal, auf das die Kreatur gewartet hatte. Etwas in Stefans Bewußtsein rastete spürbar ein, wie eine uralte, mechanische Verbindung, die noch niemals benutzt, aber voll funktionstüchtig war, und alles –
    - änderte sich.
    Stefan hatte sich gefragt, wie es sein würde, und er hatte mit seiner Vorstellung so sehr danebengelegen, wie es nur ging. Es war nicht etwa so, daß sein Bewußtsein erlosch oder er nicht mehr Herr seiner Sinne oder seines freien Willens wäre. Im Gegenteil, sein Bewußtsein und seine Wahrnehmungen erweiterten sich, schlagartig und in schier unvorstellbarem Maße, noch weit, unendlich weit über das hinaus, was er in den letzten Tagen erlebt hatte. Sinneswahrnehmungen und Eindrücke in niemals vorstellbarer Vielfalt strömten aus allen Richtungen zugleich auf ihn ein, aber er hatte jetzt keine Mühe mehr, sie zu deuten, oder zu entscheiden, was er damit anfangen sollte, körperlich war er noch immer ein Mensch, aber unter dieser so bedeutungslosen Hülle war er endgültig zum Wolf geworden.
    Stefan bewegte sich ein paar Schritte in Richtung Straße, blieb wieder stehen und sah sich um. Das Heulen von sieben - nein, acht -

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