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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lief einige Schritte weit parallel am Zaun entlang, bis er aus dem Bereich heraus war, den die Flammen erhellten. Selbst kaum mehr als ein Schatten, überquerte er die Straße und näherte sich dem Wagen der Russen im Schütze der Dunkelheit und von der Rückseite. Wenn Barkow und sein Begleiter ebenfalls über Nachtsichtgeräte verfügten, würde ihm das kaum etwas nützen, aber er hoffte, daß sich ihre Aufmerksamkeit auf das brennende Haus und die andere Seite der Straße konzentrierte; die Richtung, aus der sich das Sirenengeheul näherte. Außerdem hätte er es gespürt, wenn sie ihn entdeckt hätten.
    Bisher zumindest war dies noch nicht der Fall. Er fühlte die Anspannung der beiden Männer, und er konnte das Adrenalin in ihren Adern regelrecht schmecken, aber er war auch sicher, daß sie nichts von seiner Annäherung wußten.
    Die Schatten reichten bis auf drei Meter an den Wagen heran. Den Rest zu überwinden war eine Kleinigkeit.
    Stefan sprintete los, drehte im Laufen seine Waffe herum und schmetterte sie dem Mann auf dem Beifahrersitz durch die Scheibe hindurch ins Gesicht. Er schlug nicht mit ganzer Kraft zu, denn er wollte ihn nicht töten, aber der Hieb reichte trotzdem aus, den Mann halb besinnungslos in sich zusammensacken zu lassen. Stefan riß die Tür auf, zerrte den Mann mit einer Hand aus dem Wagen und schleuderte ihn so wuchtig weg, daß er drei oder vier Meter weit stolperte, ehe er hilflos zu Boden sank. Stefan hatte sich indessen bereits auf den Beifahrersitz geworfen und war mit Barkow beschäftigt.
    Der Russe mußte vollkommen überrascht gewesen sein, aber er war trotzdem schnei!. Seine Reaktionen und Bewegungen waren allerdings die eines Menschen, und somit wieder lächerlich langsam. Er versuchte nicht, das Gewehr herumzureißen, was ihm in der Enge des Wagens ohnehin kaum gelungen wäre, sondern ließ die Waffe einfach fallen und griff statt dessen nach der Pistole, die er im Gürtel trug. Er hatte die Bewegung nicht einmal halb zu Ende gebracht, als Stefan ihm den Lauf des Karabiners in das weiche Fleisch unter dem Kinn stieß.
    Barkow erstarrte. Stefan fühlte keine Angst. Der Tod gehörte so sehr zum Leben dieser Männer, daß er seinen Schrecken für sie vielleicht schon verloren hatte. Vielleicht hatte Barkow ihn bei diesem Unternehmen nicht nur als mögliche Größe einkalkuliert, sondern sogar als
Gewißheit;
ein Selbstmordunternehmen, bei dem nur das Gelingen zählte, nicht das Überleben. Alles, was er von dem Russen empfing, war ein heftiges Gefühl von Enttäuschung.
    »Sie sind Barkow«, sagte er. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Er hatte diesen Mann schon einmal gesehen: in einer primitiven Blockhütte im Herzen von Bosnien-Herzegowina, verkleidet als verdreckten, zerlumpten, nach Knoblauch stinkenden Partisanen. Und obwohl der Mann nun in einem sauberen Anzug steckte, gewaschen und rasiert war, war sich Stefan sicher, daß es sich um dieselbe Person handelte.
    Und auch die Verwandtschaft zu Barkow war für ihn unübersehbar. Damals, am Rande des Wolfsherzens, hatte er den übergewichtigen russischen Offizier, den sie getroffen hatten, nicht mit jener abgerissenen Gestalt in Verbindung gebracht. Doch er hatte damals bereits eine Vielzahl von Informationen und Identifikationsmerkmalen registriert und gespeichert, die er erst jetzt begriff: Die menschlichen Sinne waren viel schärfer, als ihre Besitzer auch nur ahnten, nur wußten sie mit den wenigsten Informationen, die sie ihnen vermittelten, etwas anzufangen. Es gab keinen Zweifel: Er saß neben Barkows Sohn.
    Trotzdem stieß er den Gewehrlauf noch einmal und heftiger unter das Kinn des Mannes und sagte: »Antworten Sie! Sie sind Barkow!«
    .»Da«, stöhnte der Russe. Seine Stimme klang gepreßt, aber das mochte daran liegen, daß er den Kopf so weit in den Nacken gelegt hatte, wie er nur konnte, um vor dem Gewehrlauf zurückzuweichen. Stefan lockerte den Druck der Waffe ein wenig.
    »Sprechen Sie Deutsch?« fragte er.
    »Etwas«, keuchte Barkow. »Nicht... viel.«
    »Dann hören Sie mir jetzt ganz genau zu«, sagte Stefan. »Ich werde das, was ich jetzt sage, nur ein einziges Mal sagen. Und wenn Sie irgendwelche Tricks versuchen, verteile ich Ihr Gehirn an der Wagendecke. Haben Sie das verstanden?«
    Barkow deutete ein Nicken an.
    »Gut«, sagte Stefan. »Ich weiß, warum Sie gekommen sind. Sie glauben, daß meine Frau und ich die Verantwortung für den Mord an Ihrem Vater tragen, und Sie sind hier, um uns

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