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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verschiedenen Sirenen erfüllte die Luft, aber er wußte auch, daß selbst die allernächste noch mindestens fünf Minuten brauchen würde, um heranzukommen. Der Polizeiwagen brannte noch immer, doch die Glut tobte nicht mehr mit solcher Wut wie vorhin, so daß er den Wagen der Söldner dahinter mit Leichtigkeit ausmachen konnte. Zwei Männer saßen darin, nicht zu sehen, aber deutlich zu spüren. Die Anwesenheit eines dritten fühlte er nur ein halbes Dutzend Schritte links von sich. Es war keine Telepathie, aber eine so komplexe Vielfalt anderer, bisher zum Teil vollkommen unbekannter Wahrnehmungen und Gefühle, daß es ihr beinahe gleichkam. Der Mann war zutiefst verwirrt, aber auch alarmiert. Er hatte gesehen, wie Stefan mit Rebecca auf den Armen aus den Flammen getreten war, und nur aus purer Überraschung nicht geschossen. Jetzt fragte er sich, wohin sie verschwunden waren, und hielt aufmerksam nach ihnen Ausschau, den Finger am Abzug.
    Stefan bewegte sich lautlos nach links, umging den Söldner in sieben oder acht Metern Abstand und näherte sich ihm von hinten. Der Söldner saß auf einem Knie hinter einem Busch, visierte das Haus an und blickte dabei durch ein Zielfernrohr, das beinahe größer als sein ganzes Gewehr war; wahrscheinlich eines der Nachtsichtgeräte, von denen White gesprochen hatte. Stefan näherte sich ihm vollkommen lautlos. Trotzdem mußte der Mann seine Anwesenheit irgendwie spüren, denn als er noch einen Meter entfernt war, fuhr er plötzlich herum und versuchte, seine Waffe in die Höhe zu reißen. Er war unglaublich schnell.
    Aber erbärmlich langsam gegen das, was aus Stefan geworden war.
    Stefan trat ihm das Gewehr aus der Hand, schleuderte ihn mit einem Hieb zu Boden und war über und auf ihm, noch ehe er wirklich begriff, wie ihm geschah. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, ihn im Bruchteil einer Sekunde zu töten. Aber das hätte ihn nicht befriedigt. So ließ er dem Mann ausreichend Zeit, aus seinem Erschrecken Furcht und aus der Furcht Panik werden zu lassen, bevor er ihm mit einer einzigen, fast mühelosen Bewegung das Genick brach.
    Sein Atem hatte sich nicht einmal beschleunigt, als er sich aufrichtete und sich wieder dem Umriß hinter dem brennenden Polizeiwagen zuwandte. Er spürte die beiden Männer darin so deutlich, als hätte er sie vor Augen. Wenn White die Wahrheit gesagt hatte, waren sie alles, was von Barkows Leuten geblieben war.
    Er fragte sich, wieso die Russen nicht längst die Flucht ergriffen hatten. In wenigen Minuten bereits mußte es hier von Polizei nur so wimmeln. Barkows Chancen, mit halbwegs heiler Haut aus dieser Geschichte herauszukommen, sanken buchstäblich mit jeder Sekunde, die er blieb. Die einzig denkbare Erklärung war die, daß der Sohn des Söldnergenerals vor Haß so blind war, daß er nur noch seine Rache wollte und keine Rücksicht mehr auf sein eigenes oder das Leben seiner Männer nahm.
    Stefan war es gleich; so gleich, wie es ihm auch gewesen wäre, wäre Barkow nicht mehr hier. Er hätte ihn gefunden, und wenn er sich am anderen Ende der Welt versteckt hätte.
    Er wollte losgehen, überlegte es sich aber dann anders und bückte sich noch einmal, um die Waffe des toten Russen aufzuheben. Sie war schwer, und das aufgesetzte Nachtsichtgerät ließ sie noch klobiger und unhandlicher werden. Stefan versuchte zwei, drei Sekunden lang vergeblich, den Mechanismus zu ergründen, mit dem es an den Karabiner befestigt war, dann riß er es kurzerhand ab und lief los.
    Daß er den simplen Mechanismus nicht durchschaut hatte, gefiel ihm nicht. Es schien, als müsse er für seine neugewonnenen Fähigkeiten bezahlen. Er war unglaublich stark, und er hatte die Renexe und Schnelligkeit eines Raubtiers, aber dafür schien ihm das Verständnis für mechanische Zusammenhänge abhanden gekommen zu sein; und vielleicht auch noch für andere, wichtigere Dinge.
    Im Moment waren seine wölfischen Instinkte aber auch alles, was er brauchte.
    Er hatte die Umzäumung erreicht und blieb einen Moment stehen, um zu
    überlegen. Er hätte über den Zaun springen und direkt durch das brennende Wrack des Streifenwagens hindurchsprinten können, um über Barkow und seinen Begleiter herzufallen. Die Flammen konnten ihm nichts anhaben, wenn er schnell genug war, und die Überraschung wäre so total, daß wahrscheinlich sie allein ihm schon den Sieg garantierte. Trotzdem entschied er sich dagegen. Barkow durfte nicht erfahren, mit wem er es zu tun hatte. Noch nicht.
    Stefan

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