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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ausgetrickst.«
    »Das scheint mir auch so«, sagte Barkow. Er legte das Gerät vor sich auf den Tisch, starrte es geschlagene zehn Sekunden lang wortlos an und fuhr dann fort, ohne Becci anzusehen: »Wir hatten vereinbart,
keine
Tonbandgeräte.«
    »Ich weiß«, antwortete Rebecca. »Und was soll ich mit einem Interview ohne Material? Ebensogut könnte ich es mir aus den Fingern saugen. Davon konnte ich ja nichts wissen.« Sie deutete auf die Aktenmappe.
    Barkow sah nun endlich hoch. »Ich kann nur wiederholen, was ich vorhin schon einmal gesagt habe, meine Liebe«, seufzte er. »Sie sind entweder ganz außergewöhnlich mutig oder ganz außergewöhnlich dumm. Was trifft zu?«
    »Vielleicht ist das kein so großer Unterschied«, sagte Rebecca. »Was werden Sie jetzt tun? Mich erschießen?«
    Barkow musterte seinen Revolver, als dächte er ernsthaft über diesen Vorschlag nach, und Stefans Gedanken begannen sich zu überschlagen. Wenn Barkow nach der Waffe griff, würde er etwas tun. Er wußte nicht, was. Vielleicht den Tisch umwerfen, um Barkow auszuschalten und dem Mann hinter ihm das Schußfeld zu verstellen. Aber da war immer noch der Soldat hinter ihnen. Er war nicht bewaffnet, aber zweifellos in der Lage, sie alle drei mit bloßen Händen umzubringen, und das in weniger als fünf Sekunden. Aber er mußte etwas tun. Irgend etwas.
    Barkow griff nicht nach der Waffe. Er tat etwas, womit Stefan nie und nimmer gerechnet hätte: Er begann zu lachen und schob Rebecca das Aufnahmegerät wieder über den Tisch hinweg zu. Stefan erinnerte sich nicht, jemals einen Ausdruck so vollkommener Fassungslosigkeit im Gesicht seiner Frau gesehen zu haben wie in diesem Moment.
    »Schalten Sie es wieder ein«, sagte er.
    »Was?!« keuchte Rebecca.
    »Schalten Sie es wieder ein«, wiederholte Barkow. »Es macht nichts. Und Sie haben recht: Wer hätte jemals von einem ehrlichen Journalisten gehört? Nehmen Sie es!«
    Zögernd griff Rebecca nach dem Gerät, hielt noch einmal inne, um Barkow mißtrauisch-verwirrt zu mustern, und steckte den Apparat schließlich ein.
    »Sie... Sie sind ja vollkommen wahnsinnig«, stammelte Wissler. »Mein Gott, er... er hätte uns alle umbringen können! Ist Ihnen klar, was Sie getan haben? Wir hatten ganz klar vereinbart -«
    »Schweigen Sie«, sagte Barkow. Er machte sich nicht einmal die Mühe, Wissler dabei anzusehen. »Bitte verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Ich bin manchmal vielleicht übervorsichtig. Der Preis, den man für ein Leben als Vogelfreier zahlt. Aber wahrscheinlich ist dies auch der Grund, weshalb ich noch lebe.«
    Er drehte den Kopf und sagte ein paar Worte auf russisch zu dem Soldaten am Fenster. Der Mann ging, und Barkow fuhr fort, noch bevor er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Sie werden Beweise für alles, was ich Ihnen gerade gesagt habe, in dieser Aktentasche finden. Und noch einiges mehr.«
    »Aber warum jetzt?« fragte Rebecca. Sie hatte sich erstaunlich schnell wieder gefangen. »Nehmen wir an, diese Tasche enthält tatsächlich Unterlagen, die Ihre Behauptung beweisen... warum erzählen Sie uns das alles? Glauben Sie plötzlich nicht mehr an die Dinge, derentwegen Sie und Ihre Männer all das auf sich genommen haben?«
    Barkow lächelte, aber es war ein sehr schmerzliches, bitteres Lächeln, als hätte Rebecca, ohne es zu wissen, etwas ausgesprochen, das ihn verletzte. »Ich glaube mehr denn je, daß es Dinge gibt, für die sich zu sterben lohnt«, sagte er leise. »Ideale. Träume. Prinzipien... aber ich bin nicht dumm, und ich bin ebensowenig blind.
Ich
glaube an all diese Dinge, aber die Männer, für die ich arbeite, offensichtlich nicht mehr.«
    »Heißt das, daß Sie... aussteigen wollen?« fragte Rebecca zögernd.
    »Aussteigen? Nennt man das im Westen so? Interessant.« Barkow schwieg einen Moment, wie um über die genaue Bedeutung dieses Wortes nachzudenken. Dann schüttelte er den Kopf. »Aber falsch. Ich will nicht ›aussteigen‹. Ich will nur am Leben bleiben. Und meine Leute auch. Das Material in dieser Aktentasche stellt gewissermaßen meine Lebensversicherung dar. Sehen Sie, meine Liebe, nicht nur die Zeiten haben sich geändert. Auch die Männer, denen ich bisher vertraut habe.«
    »Sie meinen, man will Sie abservieren«, brachte Stefan die Sache auf den Punkt.
    »›Abservieren‹?« Barkow schmunzelte. »Ihr Sprache ist so blumig... seltsam. Bisher ist mir das noch gar nicht aufgefallen. Aber Sie haben recht. Ich bin... unbequem geworden. Ich

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