Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
ins Herz. Sie weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. Er schüttelt den Kopf und stammelt Worte, die sie nicht versteht, wird zunehmend unruhiger und versucht, sich aufzurichten. Doch ihm fehlt die Kraft dazu. Lucy drückt ihn sanft wieder zurück auf sein Lager. Er schließt die Augen und neigt den Kopf etwas zur Seite. Immer wieder murmelt er dieselben Worte, beruhigt sich jedoch allmählich wieder. Schließlich fällt er in einen unruhigen Schlaf zurück. Zu Lucys Erleichterung phantasiert er jedoch nicht mehr.
„Anouk.“ Er hat sie mit ihr verwechselt. „Sie hieß Anouk, deine große Liebe“, sinniert sie, während sie sein unruhiges Gesicht betrachtet. „Eine Eingeborene, der ich zum Verwechseln ähnle. Und die wie ich geträumt hat.“ Sie ist verletzt. Wie viel Lucy sieht er in ihr? „Siehst du in mir Anouk?“ Gibt es etwas, das sie überhaupt von ihr unterscheidet? Aber wie kann das alles sein?
Sie wird ihn fragen, wenn er wieder zu einer Antwort fähig ist. Jetzt muss sie für ihn da sein. Sie reißt sich aus den Gedanken und bemerkt, dass sein Schlafsack mittlerweile klatschnass geschwitzt ist. Er liegt nur noch auf ihm, so dass sie ihn unter Lucius hervor zieht, damit er trocknen kann. Sie entfernt die erwärmten Umschläge und holt den Eimer mit dem kalten Wasser von der Tür herüber. Um sein Fieber endlich herunter zu bekommen, wäscht sie Lucius mit ihrem Handtuch und dem eiskalten Wasser immer wieder komplett ab. Doch selbst, als draußen längst dunkle Nacht hereingebrochen ist, haben ihre Bemühungen noch nichts bewirkt. Sein Fieber ist unverändert hoch. Verzweifelt häuft sie schließlich wieder Schnee über ihn und wartet. Wartet, dass sein Fieber sinkt, wartet darauf, dass er auf sie reagiert. Doch als sich weiterhin nichts dergleichen tut, steigt Panik in ihr auf. Sie versucht, ruhig zu bleiben. Doch sie weiß nun keinen Rat mehr. Lucius glüht wie zuvor, sein Puls rast. Er rührt sich kaum noch, bewegt nur manchmal leicht den Kopf. Aufgeregt läuft sie neben ihm auf und ab, überlegt, dass er seit über zwölf Stunden derart schlimm fiebert. Sie fragt sich, wie lange ein Mensch wohl solch hohe Körpertemperaturen aushalten kann. Dann beginnt sie wieder, ihn kalt abzuwaschen. Sie ist absolut neben sich.
Das Feuer im Ofen ist längst heruntergebrannt. Lucy schleicht zu ihrem Schlafsack auf dem Ofen und zieht ihn schlapp herunter. Er schleift hinter ihr auf dem Holzboden her, als sie zum Kamin zurückgeht. Sie kauert sich in ihm auf dem Fell neben Lucius zusammen. Er liegt auf ihrer Isomatte und atmet schwer. Sie nimmt seine Hand und legt sie glühend heiß gegen ihre Wange. Dann lehnt sie die Stirn gegen die seine. „Ich bitte dich, mach dich nicht einfach so davon“, schnieft sie und kämpft nicht mehr gegen die Tränen an. Sie küsst ihn leicht auf die Lippen, legt den Kopf an seine Schulter und rollt sich neben ihm ganz klein zusammen. Langsam gleitet sie in einen erschöpften Schlaf hinüber.
Lucy steht in der Hütte. Draußen ist es Nacht und sie betrachtet ihr Spiegelbild in einer der Fensterscheiben. Ihr Gesicht wirkt eigenartig bleich, ihre Augen sind beinahe schwarz. Als sie sich prüfend über die Stirn streicht, blickt sie ihr Spiegelbild jedoch immer noch reglos an, OHNE eine Hand auf der Stirn! Stattdessen treten zu Lucys Entsetzen ganz langsam aus Augen, Nase, Mund und Ohren rote Blutrinnsale hervor. Ihr Spiegelbild sieht traurig an sich herab auf ein Bündel in ihrem Arm. Das Blut tropft auf das winzige Gesicht eines Säuglings. Der Kopf des Kindes hängt unnatürlich weit nach hinten. Lucys Spiegelung blickt wieder auf und streckt ihr mit unsäglich verzweifeltem, blutunterlaufenen Blick anklagend das Bündel entgegen.
Entdeckungen
Es ist finster, als Lucy schweißgebadet erwacht. Welch ein Alptraum! Sie fährt sich übers Gesicht und will sich aufsetzen, wird jedoch von ihrem Schlafsack daran gehindert. Zu ihrer Verwirrung ist er ganz eng. Da fühlt sie eine große Hand durch ihr Haar streichen.
„Lucius?“ Sie wagt kaum, es zu glauben.
„Wen hast du erwartet? … Du hast den ganzen Tag verschlafen.“
Lucy atmet hörbar durch. Sie schließt die Augen und eine große Last fällt von ihr ab. Sie kann ihm nichts entgegnen, denn ihr kommen schniefend die Tränen.
„Hey, Lucy“, raunt er und schmiegt sich an sie. Er dreht ihr Gesicht zu sich herum und wischt ihr zärtlich die Tränen weg.
„Ich hab‘ geglaubt, du machst dich aus dem Staub“, flüstert
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