Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
eine große, von Bäumen freie, weiß verschneite Ebene und vermutet dort den zugefrorenen See. Sie dreht dem Fenster wieder den Rücken zu und seufzt beim Anblick des Hütteninneren. Denn sie schätzt, dass sie den restlichen Tag damit beschäftigt sein wird, um es wieder halbwegs bewohnbar zu machen. Als erstes braucht sie Wasser. Sie geht zu den Wandregalen herüber und holt den Eisbohrer hervor.
Es muss schon weit nach Mitternacht sein, als sich Lucy erschöpft auf einen der Stühle sinken lässt. Sie hat die Hütte mit kaltem Seewasser und einem Haufen alter Lumpen sauber bekommen. Ein Feuer knistert munter im Kamin, von morschen Bäumchen aus dem Wald gespeist und Licht sowie eine wohlige Wärme verströmend. Den ganzen Tag lang hat sie den Lehmofen langsam hochgeheizt, damit er keine Risse bekommt. Eine große Blechschüssel lauwarmen Wassers steht auf der rostigen Ofenplatte. Ihre letzte Mahlzeit liegt schon etliche Stunden zurück und war nicht sehr reichhaltig. Sie kramt noch einmal ihren Rucksack nach etwas Essbarem durch und findet drei letzte Müsliriegel. Einen legt sie für Lucius zur Seite und isst die beiden anderen behaglich auf. Sie sieht sich zum Ofen um. Lucius schläft noch immer. Er muss völlig am Ende gewesen sein.
Sie erhebt sich, legt für die Nacht noch etliche Holzscheite im Ofen nach, holt daraufhin eine weitere Schüssel und geht damit zur Tür. Nachdem sie diese verriegelt hat, schöpft Lucy aus einem nahen Holzeimer Wasser in die Schüssel und mischt dieses mit etwas warmem Wasser vom Ofen. Sie setzt die Schüssel auf dem Tisch ab, streift die Ärmel ihrer Fleecejacke hoch und wäscht sich notdürftig. Dann steigt sie im Schein ihrer Stirnlampe zu Lucius hoch, klettert über ihn hinweg in ihren Schlafsack. Die Lampe lässt sie an und leuchtet etwas neben Lucius’ Gesicht, um ihn nicht zu blenden. Vorsichtig legt sie ihm die Hand gegen die Stirn und stutzt. Er fühlt sich etwas zu warm an. Sie beschließt, ihn trotzdem schlafen zu lassen. Ein wenig besorgt legt sie sich neben ihn und schläft dann erschöpft ein.
In der Nacht bemerkt sie, dass sich Lucius unruhig hin und her wirft. Sie spürt unter sich eine wohlige Wärme, kuschelt sich ein und schläft weiter.
Lucy erwacht plötzlich vom Zuschlagen der Tür. Es ist helllichter Tag. Lucius ist verschwunden. Sie erkennt auf dem Boden neben seiner Kleidung den blutdurchtränkten Verband liegen und beeilt sich, um nach draußen zu gelangen.
Als sie die Tür öffnet, schlägt ihr Eiseskälte entgegen. Sie verfolgt Lucius große Fußspuren, die sich in den kniehohen Neuschnee gegraben haben und ihr stockt der Atem, als sie ihn kurz darauf splitternackt vor sich im Schnee liegen sieht. Seine Augen sind geschlossen und er atmet schnell und unruhig. Plötzlich gleitet sein Kopf matt zur Seite. Lucy kniet sich neben ihn in den Schnee. Sie rüttelt an seiner Schulter.
„Lucius?“ Er reagiert nicht und sie fasst ihm über Stirn und Hals. Er glüht vor Hitze. „Scheiße.“ Sie streicht sich hastig ein paar Haare aus dem Gesicht hinters Ohr. Dann greift sie ihm unter die Arme und will ihn Richtung Tür ziehen. Doch sie bewegt ihn nicht einen Zentimeter. „Oh verdammt!“ Sie versucht es noch einmal und stemmt sich mit all ihrer Kraft nach hinten. Doch er ist einfach zu schwer. Verzweifelt sinkt sie auf die Knie, seinen blutverkrusteten Oberkörper auf dem Schoß, und versucht, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann steht sie auf und lässt ihn vorsichtig zurück in den Schnee sinken. Sie rennt in die Hütte und zerrt ihre Isomatte aus dem Rucksack. Irgendwie muss sie ihn auf diese wälzen. Als sie dann wieder hektisch neben ihm niederkniet, ist er bei Bewusstsein und sieht sie an. Sie ist freudig überrascht. „Lucius! Versuch‘, aufzustehen. Allein krieg ich dich nicht in die Hütte zurück!“
Doch er schüttelt matt den Kopf. „Das Fieber muss runter, Lucy.“ Er schließt die Augen. „Schieb Schnee auf mich drauf.“
Lucy zwingt sich zur Ruhe. Seine Worte leuchten ihr ein. Sie häuft Schnee über ihn, so dass nur noch Arme und Kopf von ihm zu sehen sind. Dann kniet sie sich auf ihre Matte und lässt ihn nicht aus den Augen. Die Minuten scheinen ihr wie Stunden zu vergehen. Sie überlegt, woher sein Fieber kommt und hofft, dass es von der Anstrengung und nicht von seiner Verletzung herrührt. Aber es ist so wahnsinnig hoch! „Bist du eingeschlafen“, fragt sie ihn schließlich nervös.
Er öffnet die Augen und dreht ihr den
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