Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
erschlichen. Sie hatten damals Bartkauze beobachtet.“
„Deine Mutter war hochschwanger. Genau wie ich. Dein Vater ist Arzt gewesen. Er hat dieses Talent von seiner Mutter geerbt.“
„Von meiner Großmutter.“
„Ja. Sie ist eine begnadete Heilerin. Trägt das uralte Wissen deines Volkes in sich. Sie ist bei ihrem Volk bekannt. Aber ich verstehe nichts davon. Ich habe kein indianisches Blut, wuchs nicht bei ihnen auf.“
Lucy schwirrt der Kopf.
„Dein Vater war todkrank. Niemand konnte ihm helfen. Und er war hoch verschuldet. Er hatte Angst, Anouk, Lucius und mich allein in Armut zurückzulassen. Und dann noch dieses ungeborene Kind. Dich.“
Lucy blickt sie verständnislos an.
„Deine Ziehmutter brachte eine Totgeburt zur Welt. Doch das weiß bis heute offiziell keine Seele. Dein Vater war ihr Arzt. Als ich dich in derselben Nacht entband, ging es mir sehr schlecht dabei. Ich war wie weggetreten. Vielleicht hat mich dein Vater sogar mit irgendeinem Medikament betäubt. Und dann zeigte er mir dieses tote Kind bei dem ich spürte, dass es mir fremd war. Ich wusste von Anfang an, dass es nicht meines war. Doch niemand hat mir geglaubt. Nicht einmal deine Großmutter. Erst, als du etwas älter warst und sie irgendwie Kontakt zu dir bekam. Es war für mich wie ein Wunder. Doch es hat mir trotzdem niemand Glauben geschenkt.“
„Außer meiner Großmutter.“
„Ja. Aber welcher Polizeibeamte glaubt einer alten Schamanin und dem, was sie sieht? Es war der einzige Anhaltspunkt und alle haben mich für verrückt erklärt.“
Lucy atmet tief durch.
Ellis nickt in Gedanken. „Es ist ja auch unfassbar. Der eigene Vater … .“
„Ja.“ Sie kann es sich kaum vorstellen.
„Erzähle mir von dir, Lucy. Wie erging es dir?“
Sie schnaubt nachdenklich. „Ich bin viel herumgekommen in der Welt“, meint sie verbittert und wechselt mit Ellis einen aufgelösten Blick. „Es hat mich geprägt. Es gefiel mir, immer draußen in der Natur zu sein. In tiefen Wäldern. Tiere zu beobachten. Später schlug ich denselben Weg ein und tue heute alles für ihren Schutz.“
„Du bist Wissenschaftlerin geworden?“
Lucy nickt. „Du scheinst keinen Fernseher zu haben.“
Ellis runzelt überrascht die Stirn. „Nein.“
„Du hättest mich dort ab und zu sehen können.“
„Unter dem Namen Denalo?“
Lucy nickt, so dass Ellis ohnmächtig den Kopf schüttelt.
„Ich hatte keine Ahnung, Lucy. Es war immer meine letzte Hoffnung, dich irgendwo auf der Welt in einer Schule zu finden. Ein Kind namens Denalo.“
„Ich habe nie eine Schule besucht, Ellis.“
„Und hast es zur Wissenschaftlerin gebracht?“ Sie ist verwirrt.
„Ich musste nur meine Eltern beobachten. Sie lernten mir alles, was ich dafür wissen musste.“
„Ohne einen Studienabschluss?“
Lucy betrachtet sie angespannt. „Ich bin so ähnlich, wie meine Großmutter, Ellis. Durch sie habe ich Zugang zum Gedächtnis der Natur, wie ich es für mich nenne. Zum Inneren der Natur. Alle halten mich für ein Genie. Ich schaffte die Prüfungen, ohne je dafür gelernt zu haben. Es war wie eine Eingebung der Naturgesetze.“
„Dann hattest du als Erwachsene Kontakt zu deiner Großmutter?“
„Nein. Ich habe das Wissen in mir. Jeder hat es in sich. Man muss nur wissen, wie man es erreicht. Großmutter hat es mir einmal gezeigt. Ich habe immer ihr Gesicht gesehen …“ Sie schnieft plötzlich und blickt gegen die Holzdecke, um sich die Tränen wegzuzwinkern.
Ellis nimmt ihre Hand und drückt sie ermutigend.
Lucy schenkt ihr ein Lächeln. „Du bist die Erste, der ich es erzählen kann, weißt du.“
Es überrascht Ellis. „Du hast es deinen Eltern nie erzählt?“
Lucy schüttelt den Kopf. „Sie haben mir als Kind verboten, mich mit der Natur zu verbinden. Denn offenbar haben sie schnell gemerkt, dass du mich dadurch finden konntest. Ich hatte es vermutlich einfach zufällig herausgefunden, wie ich mich groß machen kann.“
„Groß machen?“
„Ja. Ich dehne mich aus und erreiche Großmutter. Überall auf der Welt. Es geht einfach so, wenn ich es will.“
Sie schweigen nachdenklich.
„Und du hast nur durch die Arbeit deiner Zieheltern hierher gefunden“, wiederholt Ellis.
„Ja. Sie haben mir ihre Daten von den Bartkauzen hier nie freiwillig gegeben. Nun weiß ich auch, warum.“
„Sie fürchteten, du könntest die Wahrheit herausfinden.“
„Was ja nun auch geschehen ist. Ein alter Kollege von ihnen hat sie mir auf mein Drängen hin
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