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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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dass es so auch reichen würde.
    Damit sollte er recht behalten.
    7
    Der Keller hatte inzwischen eine angenehme Temperatur, doch die Luft war immer noch feucht, und das Fenster auf Bodenhöhe war beschlagen. Das Mädchen lag in seinem Korb undschaute mit großen Augen an die Decke. Lennart schlug die Decken zur Seite und nahm sie in den Arm. Sie gab keinen Laut von sich und reagierte nicht auf die veränderte Situation.
    Lennart hielt ihr die Giraffe vor die Augen, bewegte sie vor und zurück. Sie folgte ihr eine Sekunde mit den Blicken und starrte dann wieder geradeaus. Blind war sie augenscheinlich nicht. Lennart schnippste laut mit den Fingern neben ihrem Ohr, worauf sie leicht die Stirn runzelte. Taub war sie auch nicht. Aber sie war so eigenartig … verschlossen.
    Was mochte sie erlebt haben?
    Er ahnte, dass das Mädchen etwas älter war, als er zunächst gedacht hatte, vielleicht zwei Monate. In zwei Monaten kann man genug erleben, um sich instinktiv eine Überlebensstrategie zu erarbeiten. Vielleicht hatte die Strategie des Mädchens darin bestanden, dass sie sich unauffällig verhielt. Kein Laut, keine Bewegung, keine Ansprüche.
    Die Strategie hatte offensichtlich nicht funktioniert. Sie war im Wald ausgesetzt worden und hätte immer noch dort gelegen, wenn Lennart nicht zufällig vorbeigekommen wäre. Er hielt sie behutsam in den Armen, schaute in ihre grundlosen Augen und sprach zu ihr.
    »Kleine, jetzt bist du in Sicherheit. Du musst keine Angst haben. Ich werde mich um dich kümmern, Kleine. Als ich dich singen hörte, da dachte ich, dass … dass es eine Chance gibt. Auch für mich.
    Ich habe schlimme Dinge getan, verstehst du, Kleine. Dinge, die ich bereue und die ich gerne ungeschehen machen würde. Trotzdem tue ich sie immer wieder. Aus Gewohnheit. Es ist einfach so gekommen.
    Kannst du mir nicht etwas vorsingen. Kleine? Kannst du es nicht noch einmal tun?«
    Lennart räusperte sich und sang ein A. Der Ton prallte vom kahlen Putz der Kellerwände ab und er konnte selbst hören, dass er nicht absolut rein war, aber genau wie die Finger nicht in der Lage sind, mit einem Stift ein Bild genau so aufs Papier zubringen, wie man es sich vorgestellt hat, wenn man nicht gerade zeichnerisch sehr begabt ist, so konnte auch seine Stimme nicht den perfekten Ton erzeugen, den er im Kopf hatte. Aber er war nahe daran.
    Der Mund des Mädchen öffnete sich, und Lennart hielt den Ton, brachte seinen Mund auf eine Linie mit ihrem und sandte seinen mangelhaften Ton in sie hinein, während er ihr in die Augen schaute. Sie begann in seinen Armen zu zittern. Nein, nicht zu zittern. Zu vibrieren. Irgendetwas passierte mit der Akustik, und sein Ton klang plötzlich anders. Seine Atemluft ging zu Ende, und erst als sein eigener Ton dünner wurde und verschwand, begriff er, was geschehen war. Das Mädchen hatte mit einem A eine Oktave tiefer geantwortet. Für ein kleines Kind war es eigentlich unmöglich, einen solchen Ton zustande zu bringen, und so klang er ein wenig unheimlich. Das Mädchen benutzte seinen Körper als Resonanzkasten, und wie eine schnurrende Katze brachte es einen reinen Ton in einem eigentlich unzugänglichen Register hervor.
    Als Lennart verstummte, verstummte auch das Mädchen, und sein Körper hörte auf zu vibrieren. Er drückte sie an sich und küsste ihre Wange, während ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er flüsterte in ihr Ohr: »Ich hatte schon geglaubt, dass ich mir alles nur eingebildet hätte, Kleine. Jetzt weiß ich, dass es tatsächlich so war. Bist du hungrig?«
    Er hielt sie vor sich in die Luft. Nichts in ihrem Gesicht verlieh irgendeinem Wunsch oder Bedürfnis Ausdruck. Er drückte vorsichtig ihren Brustkorb zusammen. Es war unbegreiflich, wie sie einen so tiefen Ton zustande gebracht hatte. Am ehesten war es noch wie bei einer schnurrenden Katze, die ihren Körper als Resonanzkasten verwendet. Aber Katzen schnurren nicht in Sinustönen.
    Du bist ein Geschenk. Du bist mir geschenkt worden.
    Lennart kontrollierte die Windel, und nachdem er sie hingelegt und wieder zugedeckt hatte, ging er in den Aufbewahrungskeller, um Jerrys Gitterbett herauszusuchen.
    8
    Während der ersten Tage, nachdem Lennart den Säugling mit nach Hause gebracht hatte, hatte Laila ständig damit gerechnet, dass es an der Tür klopfen, dass das Telefon klingeln und uniformierte Männer ins Haus eindringen würden, um Fragen zu stellen, bevor sie sie in eine Zelle bringen würden, vielleicht sogar in eine

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