Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
zuschaute. Die wohlbekannte Erkennungsmelodie ertönte, und ein Tropfen Schweiß lief aus Lennarts Achselhöhle an seinem Brustkorb hinunter.
»Jetzt müssen wir die Daumen drücken«, sagt Laila.
»Mhm«, sagte Lennart und ging auf ein paar Nägel los, die so rostig waren, dass die Köpfe abrissen, als er sie mit dem Brecheisen herauszuziehen versuchte.
»Es ist ein wunderschönes Lied«, sagte Laila. »Vielleicht habe ich es dir noch nicht so ausdrücklich gesagt, aber es ist ein fantastisches Lied.«
»Aha«, sagte Lennart.
Er konnte es nicht verleugnen, Lailas Lob bedeutete ihm etwas. Er hatte keine Ahnung, wie es mit ihnen weitergehen sollte, aber im Moment saßen sie trotzdem hier und warteten auf ihren Song. Irgendeine Bedeutung musste das haben.
Zuerst kamen ein paar Neuvorstellungen, dann wurden die Charts gespielt. Platz zehn, neun, acht, sieben, sechs. Lasse Berghagen , die Hootenanny Singers und so weiter. Olle Kamellen. Lennart hatte sie alle schon tausendmal gehört. Dann kam es. Sein Herz begann wie wild zu hämmern, als er Kent Finell sagen hörte: »Und auf der Fünf der höchste Neueinsteiger der Woche …«
Lennart hielt die Luft an. Die Vögel in den Bäumen verstummten. Die Hummeln saßen still auf ihren Blütenkelchen und warteten.
» Ein Sommer ohne dich mit den Tropicos !«
Es ertönten die üblichen vier Takte, die wie jedes x-beliebige andere Lied klangen. Laila sagte: »Schade!«, aber Lennart hörte sie nicht. Er starrte auf ein morsches Brett und spürte, wie etwas in seinem Inneren eben diese Beschaffenheit annahm, wie es zusammenschrumpfte und starb. Irgendwo da draußen, ganz weit weg, sang jemand:
Was haben Wärme und Sonne für einen Sinn,
Wenn ich weiß, dass ich in diesem Sommer ohne dich bin.
Roland. Dort sang Roland. Die Tropicos . Fünfter Platz. Der höchste Neueinsteiger. Über Lennart kam eine Ruhe, die fast an körperliche Erstarrung grenzte. Er schielte zu Laila hinüber. Sie hielt ihre Augen geschlossen, während sie Rolands Stimme lauschte. Die Andeutung eines Lächelns huschte über ihre Lippen.
Sie hört seine Stimme und denkt an seinen Schwanz.
Laila schlug die Augen auf und blinzelte. Aber es war zu spät. Er hatte es gesehen. Plötzlich spürte er, wie sein Arm zuckte. Das Brecheisen beschrieb einen weiten Bogen und landete oberhalb von Lailas Knie. Sie keuchte und öffnete den Mund zu einem Schrei.
Es war von ganz allein passiert, er hatte keine Kontrolle mehr über die Bewegung, aber tausend Gründe, sich sein Verhalten zu verzeihen. Aber danach war es anders. Als Laila vor Schmerz und Erstaunen gellend aufschrie, stand Lennart auf und holte erneut mit dem Brecheisen aus. Dieses Mal war er sich dessen bewusst, was er tat. Dieses Mal zielte er.
Mit voller Kraft hämmerte er das flache Ende des Brecheisen noch einmal auf dasselbe Knie. Ein schmatzendes Knirschen ertönte, und als Lennart das Brecheisen sinken ließ, begann Blut an Lailas Schienbein hinunterzurinnen, während alleFarbe aus ihrem Gesicht wich. Sie versuchte vom Gartentisch aufzustehen, aber das Bein knickte unter ihr ein, und sie fiel vor seinen Füßen zu Boden, streckte die Hände aus, um sich vor ihm zu schützen, und flüsterte: »Bitte, bitte, nein, nein …«
Lennart betrachtete das blutende Knie. Jede Menge Blut hatte sich unter der Haut angestaut, aber nur ein schmales Rinnsal lief aus einer kleinen Stelle, an der die Haut aufgeplatzt war. Er ließ das Brecheisen eine halbe Umdrehung in seiner Hand kreisen und schlug noch einmal zu, mit dem spitzen Ende nach unten.
Jetzt war es, wie es sein sollte. Das Knie zerplatzte wie ein wassergefüllter Ballon, und die Kniescheibe flog zur Seite, um einer Kaskade von Blut zu weichen, die über Lennarts Beine, über den Gartentisch und über die demolierte Eingangstreppe spritzte.
Vielleicht war es Lailas Glück, dass sie in dieser Situation aufhörte zu schreien und das Bewusstsein verlor, sonst hätte Lennart womöglich mit dem anderen Knie weitergemacht. Er hatte nämlich den Sinn dessen erfasst, was er gerade tat. Jetzt war Schluss mit der Lauferei. Nichts mehr mit schlank »für dich und das Publikum« und all den Typen, die in den Büschen auf sie warteten.
Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, hätte er das andere Knie auch noch zerschmettern müssen. Aber als Lennart auf die leblose Gestalt seiner Frau hinunterschaute, auf die Kniescheibe, die nur noch ein Brei aus Knorpeln, Knochensplittern und Blut war, kam er zu dem Schluss,
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