Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
demBoden lag. Ein Rasiermesser, das er zum Öffnen der Kartons benutzte. Er hielt es hoch und richtete die Klinge auf Teresa, während er versuchte, auf die Beine zu kommen. Seine Augen starrten wie wahnsinnig, und Rotz flog aus seiner Nase, wenn er ausatmete.
Teresa biss die Zähne zusammen und holte mit dem Hammer aus. Die Hand des Mannes flog ihr entgegen, und das Rasiermesser schnitt durch Teresas Pullover und hinterließ eine oberflächliche Wunde auf ihrem Bauch. Die Bewegung brachte den Mann aus dem Gleichgewicht, sodass er wieder zu Boden fiel. Theres trat auf seine Hand, bis er das Messer losließ.
Teresa sah das Blut, das ihr in den Hosenbund lief, zog Zeige- und Mittelfinger hindurch und steckte sie in den Mund. Es wurde rot darin, und die Farbe explodierte in ihrem Kopf, bis auch dieser von innen ganz rot war. Farbe. Sie hatte Farbe. Als sie mit der Zunge über ihre Zähne fuhr, fühlten sie sich spitz an.
Sie beugte sich schnell hinunter und schlug den Hammer direkt auf die Stirn des Mannes. Ein lauter, hallender Knall und ein Geräusch, als würde man durch altes Eis auf einer Pfütze treten. Der Körper des Mannes bäumte sich in einem Bogen auf, sodass seine Hüfte gegen Teresas stieß, bevor er kollabierte und sich wieder lang hinlegte. Seine Hände und Füße zitterten, und in seinen Augen platzten Arterien.
Die Düfte. Teresa nahm die Düfte wahr. Den Angstschweiß vom Körper des Mannes, den Eisengeruch des Blutes und um sie herum ein ganzes Bouquet aus Lagergerüchen, die durch die Luft schwebten. Vergammelnde Bananen, frische Champignons und verdorbenes Bier aus den leeren Pfandflaschen. Sie kannte jeden von ihnen, konnte ihn identifizieren und abhaken. Sie verschmolzen mit der roten, rauschenden Farbe in ihrem Kopf und wurden zu einem einzigen Erlebnis, einem einzigen Gedanken, der durch ihren Kopf kreiste, immer und immer wieder: Ich lebe. Ich lebe. Ich lebe.
Sie schlug gegen die Schläfe des Mannes, gegen seine Stirn. Sie schlug seine Zähne kaputt, und sie schlug sein eines Augeheraus. Sie schlug mehrere Male so hart sie konnte auf die Stirn, bis sich ein Loch im Schädel geöffnet hatte und sie zitternd vor Aufregung an ihn herankriechen und den einsamen, dünnen Kringel aus rotem Rauch sehen konnte, der aus seinem Innersten hinaufstieg. Nein, sie sah ihn nicht, sie wusste, dass er da war, spürte den Duft und die Anwesenheit.
Sie zog die Lippen zurück und knurrte leise, als er in sie hineinfloss und eins mit ihr wurde.
Sie gingen eine Runde durch den geschlossenen Laden. Teresa nahm sich eine Keksschokolade, biss ein Stück ab, ohne die Verpackung zu öffnen, und warf sie fort. Sie öffnete eine Tüte Chips und aß zwei Stück, streute dann den Rest des Inhalts über die Waren im Gefrierfach. Sie bellte und biss ein Stück von einer Fleischwurst ab, zerkaute sie zu einem Brei, den sie über die Tomaten ausspuckte. Währenddessen holte Theres zwei Plastiktüten und füllte so viele Babygläschen hinein, wie sie zu tragen vermochte.
Sie gingen wieder ins Lager. Eine unregelmäßig geformte Pfütze aus Blut war aus dem Kopf des Mannes geflossen, und am Rand der Pfütze lag der Hammer. Teresa hob ihn auf und ging zum Spülstein hinüber, wusch ihn unter dem Wasserhahn ab. Sie sah sich selbst im Spiegel.
Ihr Gesicht war voller Blutflecken, und ein paar kleine, feste Brocken aus menschlichem Gewebe klebten an ihren Wangen. Über die Stirn zogen sich Streifen von Blut, das aus ihrem Haar gelaufen war. Sie drehte sich zu Theres um.
»Theres. Findest du, dass ich jetzt schön bin?«
»Ja.«
»Würdest du mich küssen?«
»Nein.«
»Hab ich mir schon gedacht.«
Die Wunde am Bauch hatte zu schmerzen begonnen, blutete aber nicht mehr. Ihr Pullover und die Hosenbeine waren allerdings dermaßen blutgetränkt, dass jeder, der sie sah, sofortmisstrauisch werden würde. Sie wusch sich das Gesicht, und dann warteten sie, bis es dunkel wurde, bevor sie sich nach draußen begaben.
Zuletzt steckten sie noch die Geldscheine aus der Tageskasse ein, bevor sie ohne auffällige Hast zu Theres’ Wohnung zurückgingen. Auf dem Weg begegnete ihnen kein einziger Mensch.
5
In dieser Nacht träumte Teresa von Wölfen.
Zuerst war sie ein Menschenkind, ein kraftloses, kleines Wesen, das im Wald ausgesetzt worden war. Aus der Dunkelheit näherten sich die bleichen Augen, durch die Fichtenstämme schlichen sie sich an sie heran. Tatzen bewegten sich lautlos über den Nadelteppich. Der Kreis schloss sich
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