Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
enger um sie. Sie wollte laufen, aber sie hatte das Gehen noch nicht gelernt.
Dann leckten raue Zungen über ihren Körper. Sie befanden sich im Bau, und die Wölfe leckten und leckten ihre Haut. Als die Zungen über ihren Bauch rieben, tat es so weh, dass sie schreien musste. Hautschicht für Hautschicht wurde abgetragen, und es war ein Schmerz jenseits aller Vernunft. Dann begann sich der Pelz unter der Haut zu zeigen. Der Schmerz ließ nach, und die Wölfe ließen sie zurück.
Ein Quentchen Mondlicht drang durch die Öffnung des Baus herein, und sie sah sich selbst von außen. Wie sie auf dem Erdboden lag, feucht vom Speichel der Wölfe, bibbernd vor Kälte, weil der dünne Pelz sie noch nicht schützen konnte.
Die Szene änderte sich, und unter der allwissenden Perspektive des Mondes sah sie einen Wolf durch den Wald laufen. Ein unfertiger oder kranker Wolf, dessen Pelz in Zotteln herunterhing, eine jämmerliche Kreatur, die vor dem geringsten Geräusch zurückschreckte. Sie war gleichzeitig im Mond und indem Wolf, sie schwebte am Himmel und krabbelte auf der Erde mit demselben Paar Augen.
Danach musste Zeit vergangen sein, denn die Erde war jetzt von Schnee bedeckt. Sie rannte durch den Wald, und jeder Sprung war eine einzige Freude. Ihre Muskeln waren voller Kraft, und sie sah, dass ihre Vorderläufe von dichtem, gleichmäßigem Pelz bedeckt waren. Sie folgte einer Spur aus Blut. In unregelmäßigen Abständen erschienen dunkle Flecken im Schnee, und sie jagte ein bereits verletztes Beutetier.
Sie stürmte einen Hügel hinauf, und der Schnee wirbelte um ihre Tatzen. Als sie den Gipfel erreicht hatte, blieb sie mit hängender Zunge stehen. Sie hechelte, und ihr Atem wurde zu Rauch in der kalten Luft. Vor ihr stand das Rudel um das gerissene Reh versammelt, dessen Hufe sich unter der Masse aus grauem Pelz immer noch rührten.
Der Leitwolf drehte sich zu ihr um. Das Reh erstarrte, und sein gebrochenes Auge spiegelte den Himmel. Während sich das ganze Rudel wie ein einziges Wesen umdrehte und seine Aufmerksamkeit auf den einsamen Wolf richtete, zeigte sie ihre Unterwerfung. Sie entblößte ihren Hals und legte sich auf den Rücken, wedelte mit den Tatzen und war ein Wolfsjunges, der niedrigste Rang von allen.
Sie kamen näher. Sie winselte wie der Welpe, der sie jetzt war, spielte die Rolle des Hilflosen und wusste nicht, ob sie kamen, um sie in ihr Rudel aufzunehmen oder um sie in Stücke zu reißen.
6
»Theres? Wenn du träumst. Was träumst du dann?«
»Ich weiß nicht, wie man das macht.«
»Träumst du nicht?«
»Nein. Wie macht man das?«
Teresa lag auf der Matratze vor Theres’ Bett und betrachteteein paar Staubmäuse, die in ihrer Atemluft zitterten. Sie rollte sich auf den Rücken. Das T-Shirt, das sie sich von Theres hatte ausleihen dürfen, war so klein, dass es genau über der Wunde auf ihrem Bauch endete. Sie strich mit der Hand über den entstehenden Wundschorf, und es brannte. Sie strich noch einmal darüber. Wäre die Wunde nicht gewesen, hätte sie fliehen können. Sich selbst sagen können, dass sie nicht getan hatte, was sie getan hatte.
Aber die Wunde war da. Verursacht von einem Rasiermesser, wie man es zum Öffnen von Kartons verwendet. Von jemandem, der in einem Laden arbeitet. Der mittlerweile tot ist, mit einem Hammer erschlagen. Von Teresa. Sie strich über die Wunde und versuchte ihre Handlung wirklich werden zu lassen. Sie hatte sie ausgeführt, sie würde niemals der Tatsache entkommen können, dass sie sie ausgeführt hatte. Also konnte sie genauso gut wirklich sein. Ansonsten wäre alles umsonst gewesen.
»Wie macht man das?«, fragte Theres.
»Es passiert einfach«, sagte Teresa. »Man kann es nicht beeinflussen. Man kann es auch nicht lernen. Glaube ich.«
»Sag, wie man es macht.«
»Man schläft. Und dann kommen Bilder in den Kopf. Man hat keine Macht darüber. Es kommt einfach. Heute Nacht habe ich geträumt, dass ich ein Wolf bin.«
»Das geht nicht.«
»Im Traum geht es.« Teresa hatte sich auf den Ellenbogen gestützt, damit sie Theres sehen konnte, die auf dem Rücken lag und an die Decke starrte. »Theres? Fantasierst du manchmal? Also, dass du aus dem, was du denkst, Bilder und Geschichten in deinem Kopf machst?«
»Ich verstehe nicht.«
»Nein. Das dachte ich mir schon.« Teresa pustete, und die Staubmäuse tanzten unter das Bett. »Das, was wir gestern gemacht haben. Mit dem Mann im Laden. Denkst du daran?«
»Nein. Das ist vorbei. Du bist jetzt
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