Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
dem Fest war: »du musst schreiben ich will nicht dass du weg bist.«
Teresa kopierte die Sätze aus den insgesamt vierzehn Mails und setzte sie in chronologischer Ordnung in einem einzigen Dokument zusammen, das sie immer und immer wieder durchlas. Wenn sie noch in der Lage gewesen wäre zu weinen, hätte sie es jetzt getan. Anstelle von Tränen waren es jetzt ein paar Sätze von Ekelöf, die nach draußen dringen wollten.
Sie klickte auf Antworten, und ganz oben in die Mail schrieb sie: »Ich wohne in einer anderen Welt, aber du wohnst ja in derselben.«
Sie betrachtete diesen Satz. Im Grunde stand alles darin, was sie sagen wollte. Trotzdem begannen sich ihre Finger über die Tastatur zu bewegen. Sie imitierte Theres’ knappen Stil, was ihr das Schreiben erleichterte. Sie strengte sich nicht an, irgendetwas anderes zu sein als ehrlich.
Theres. Ich bin nicht weg. Es gibt mich. Aber mich gibt es nicht. Alle wollen mich verletzen. Alle hassen mich. Ich bin weggelaufen, weil ich dich liebe. Ich will, dass du mit mir zusammen bist. Nicht mit anderen. Du kannst nicht verstehen, wie traurig ich bin. Ich bin leer. Ich kann nirgendwo sein. Verzeih mir. Ich wohne jetzt in einer anderen Welt.
Sie schickte die Mail ab. Dann legte sie sich wieder hin. Ihre eigene Dunkelheit verschmolz mit der ihres Zimmers, und sie schlief ein.
Als sie um neun Uhr erwachte, lag eine Antwort von Theres im Eingangsordner.
du sollst in dieser welt wohnen du sollst zu mir kommen am liebsten jetzt aber nächstes wochenende fährt jerry nach amerika da sollst du kommen ich werde dir zeigen wie man es macht
Für eine Mail von Theres war dies der reinste Roman. Wie üblich musste vieles davon gedeutet werden, aber Teresa kümmerte sich nicht darum. Sie hatte geschrieben, und sie hatte eine Antwort bekommen. Sie würde nach Stockholm fahren und sich keine Hoffnungen machen. Es war kein Willensakt, der sie zu diesem Gedanken führte. Es war einfach eine Tatsache.
4
Am Sonntagnachmittag wurde Teresa krank, und nichts hätte ihr willkommener sein können. Das Fieber stieg schnell auf über neununddreißig Grad und wirkte wie eine Erfrischung auf sie. Ihr Körper wurde schlapp und die Gedanken auf eine angenehme Weise wirr. Jegliche reale Qual wurde in die unwesentlichen Muskelschmerzen des Fiebers gebettet, und als die Temperatur sich der Vierzig näherte, wurde es fast zu einem Genuss, als die Fieberhitze ihren Körper dazu brachte, sich vom Laken zu erheben.
Sie schluckte Ibuprofen, und das Fieber sank während der Nacht, sodass sie schlafen konnte, aber als Maria am Montagmorgen die Temperatur maß, war sie immer noch so hoch, dass nicht die Rede davon sein konnte, Teresa zur Schule zu schicken. Als ob sie andernfalls gegangen wäre. Teresa schaltete ihrHandy aus und lag im Bett, ohne etwas anderes zu tun als ihre Krankheit zu schmecken und zu riechen, sich ihr hinzugeben. Sonst hatte sie ja nichts.
Sie hatte jedes Mal genauestens darauf geachtet, rechtzeitig eine Tablette aus der Fontex-Dose zu nehmen und wegzuwerfen. Manchmal, wenn Maria sie aufforderte, eine Tablette zu nehmen, steckte sie sie unter die Zunge, bis sie aus dem Zimmer gegangen war.
Als das Fieber am Donnerstagmorgen abgeklungen war und Maria fand, dass sie zur Schule gehen könne, sagte Teresa: »Nein. Am Donnerstag und Freitag bin ich zu Hause und ruhe mich aus. Ich werde am Wochenende nach Stockholm fahren.«
»Das wirst du nicht.«
»Doch, das werde ich.«
»Das letzte Mal, als du in Stockholm warst, bist du als Wrack nach Hause gekommen, und jetzt bist du gerade krank gewesen. Wenn du glaubst, dass ich dich auf eine solche Reise gehen lasse, dann irrst du dich aber gewaltig.«
»Mama. Egal, was du sagst oder tust, du kannst mich nicht daran hindern. Denn es spielt keine Rolle. Wenn ich nicht fahren kann, werde ich hier im Bett liegen bleiben, bis ich sterbe. Ich werde nicht essen. Ich werde nicht trinken. Ich meine es ernst.«
Es erstaunte Teresa nicht, das Maria tatsächlich zu hören schien, was sie sagte, denn irgendetwas war mit Teresas Stimme geschehen. Sie sprach nicht mehr aus dem Mund, sondern aus dem Brustkorb und konnte nichts anderes sagen als die Wahrheit. Offensichtlich war das selbst bei Maria angekommen. Eine ganze Weile stand sie da und starrte Teresa an, bevor sie dieses gefährliche Terrain verließ, auf dem sie sich befanden, den Kopf zurückwarf und sagte: »Aha! Na, wenn das so ist, dann kannst du die Fahrkarte aber selber bezahlen.«
Am
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