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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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batteriebetriebene Spielzeuge und Krimskrams aus Glas und Plastik. Sie alle waren aus Fleisch und Blut. Ein gut platzierter Schlag könnte das Fleisch zum Reißen bringen und das Blut herausrinnen lassen.
    Teresa fühlte sich nicht gut. Sie hätte sich gerne an Theres’ Hand festgehalten. Das Gefühl, so leicht zu sein, dass sie weggeweht werden könnte, wurde allmählich bedrohlich. Sie fühlte sich wie damals, als sie so hohes Fieber gehabt hatte, und vielleicht hatte sie ja auch jetzt Fieber, ihr war warm und schwindelig.
    An einer Querstraße blieb Teresa vor einem Schaufenster stehen. Der Laden verkaufte Schuhe, und im Schaufenster standen und hingen etwa zwanzig Modelle von Doc Martens, schwere Stiefel mit hoher Schnürung. Ein Paar hellroter Stiefel mit dicker Sohle hatte Teresas Aufmerksamkeit erregt.
    Sie hatte sich nie für Kleidung interessiert, nie irgendeinen Stil gehabt. Wenn die Mädchen in ihrer Klasse über der Veckorevyn hingen und irgendeine Jacke »soooo wahnsinnig schick« fanden, verstand sie den ganzen Aufstand nicht. Es war eine Jacke, die ungefähr so aussah wie jede andere Jacke. Sie hatte noch nie erlebt, dass sie irgendein Kleidungsstück gesehen und sofort gewusst hatte, dass es das richtige für sie war.
    Aber jetzt stand sie hier, und die Stiefel leuchteten sie an. Sie waren auf eine Weise ihre geworden, dass sie eigentlich nur die Hand durch die Glasscheibe zu strecken und sie zu nehmen brauchte. Es fühlte sich unnatürlich an, erst das ganze Brimborium eines gewöhnlichen Einkaufs zu absolvieren, aber sie tat es. Als sich herausstellte, dass sie ihre Größe nicht vorrätig hatten, bat sie, das Paar aus dem Schaufenster anprobieren zu dürfen, und sie passten perfekt. Selbstverständlich. Sie waren für ihre Füße gemacht worden und kosteten nur drei dieser Zettel.
    Als sie wieder auf die Straße traten, hatte die Welt ihr Gesicht geändert. Als ob die beiden Extrazentimeter, die ihr die dicken Sohlen schenkten, die Perspektive komplett verschoben hatten. Teresa ging anders, und deswegen sah sie auch anders. Die Stiefel gaben ihrem Körper mehr Gewicht, und während sie früher das Gefühl gehabt hatte, dass die Menschen durch sie hindurchgehen konnten, wichen sie jetzt aus und teilten sich vor ihr.
    Eine mollige Frau in Trachtenkleidung spielte eine dünne Melodie auf einer Flöte. Teresa baute sich vor ihr auf. Die Augen der Frau schauten resigniert, und sie war so klein, dass Teresa sie mit einem Bissen hätte verschlingen können. Stattdessen legte sie einen der Zettel in ihren Hut, der vor der Frau auf dem Boden lag. Die Frau riss die Augen auf, und ein unendlicher Wortschwall voller Dankbarkeit stürzte in irgendeiner osteuropäischen Sprache auf Teresa ein. Teresa blieb ungerührt stehen, genoss den Augenblick und ihr eigenes Gewicht.
    »Jetzt bist du froh«, sagte Theres.
    »Ja«, sagte Teresa. »Jetzt bin ich froh.«
    Sie nahmen die U-Bahn nach Svedmyra. Das Gewicht der Stiefel wirkte sogar, wenn Teresa saß. Als sie den Platz neben Theres eingenommen hatte, die sich wie gewohnt in eine Ecke drückte, wurde eine Schutzzone um sie herum geschaffen, und niemand setzte sich zu ihnen auf die Bank.
    »Diese Mädchen«, wandte sie sich an Theres, »die dich besuchen. Wie sind die?«
    »Erst sind sie froh. Dann sagen sie, dass sie traurig sind. Und ängstlich. Sie wollen reden. Ich helfe ihnen.«
    Teresa sah sich im Waggon um. Größtenteils Erwachsene. Hier und da ein Mädchen oder Junge in ihrem Alter. Sie hatten Lautsprecher in den Ohren oder tippten auf ihren Handys herum. Sie sahen weder traurig noch ängstlich aus. Entweder wussten sie es gut zu verbergen, oder sie gehörten einfach einem anderen Typus an als dem, der Theres’ Nähe suchte.
    »Theres, ich möchte diese Mädchen treffen.«
    »Sie wollen dich treffen.«
    Zwei Streifenwagen standen auf der Straße vor dem kleinen Supermarkt, und ein blau-weiß gestreiftes Band war zwischen den Laternen aufgespannt worden, um die Straße abzusperren. Als Theres und Teresa vorbeigingen, konnten sie sehen, dass sogar ein Krankenwagen auf der Rückseite an der Laderampe stand. Teresa widerstand der Versuchung, durch das Schaufenster hineinzuschauen – der Verbrecher kehrt stets an den Ort seines Verbrechens zurück –, und begleitete Theres weiter zu ihrer Haustür. Als sie außer Hörweite waren, sagte sie: »Dir ist klar, dass wir nichts davon erzählen dürfen, oder? Auch nicht den anderen Mädchen.«
    »Ja«, antwortete

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