Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
Ahle zugeteilt worden, weil ihr Zettel gefährlich nahe am Herzen saß. Sie runzelte die Stirn, hob die Ahle und schaute auf Max Hansens Augen, in denen nur noch das Weiße zu sehen war. Dann schüttelte sie den Kopf und senkte den Arm. Mit tränenerstickter Stimme sagte sie: »Ich kann nicht. Das ist doch irre. Das geht nicht. Das dürft ihr nicht.«
Theres sprang von der Werkbank und ging zu ihr. »Willst du in deinem Auto sitzen?«, fragte sie. Anna L. schüttelte den Kopf, während ihr Tränen in die Augen stiegen und sie sagte: »Ich kann einfach nicht.«
»Du kannst«, sagte Theres. »Du musst.«
»Aber das ist doch Wahnsinn.«
»Das ist vernünftig«, sagte Theres und packte ihr Handgelenk, führte die Hand mit der Ahle in die richtige Position, »das ist sehr vernünftig«, worauf sie mit einem Ruck Annas Hand hinunterdrückte, sodass die Ahle bis zur Hälfte verschwand. Theres verpasste ihr einen Schlag mit der Handfläche, sodass sie ganz eindrang, und kletterte zurück auf die Werkbank. Anna L. ging an der Wand in die Hocke und hielt sich die Hände vor das Gesicht, während Cecilia ihren Zimmermannsnagel zur Anwendung brachte.
Max Hansens Körper lag kraftlos, an dreizehn Stellen perforiert, und bleich vor Blutverlust auf den Hobelbänken.Schäfte und Handgriffe standen aus verschmierten Papierstücken hervor und hoben sich im Takt mit seinem schwachen Atem. Seine Augen waren von einem Film überzogen, als seine Pupillen auf ihren Platz zurückrollten und sein Blick sich mit Teresas traf. Er bewegte den Kopf, als ob er etwas sagen wollte, und weil Teresa nicht glaubte, dass er noch genug Kraft zum Schreien besaß, zog sie das Klebeband ab. Er schaute sie an und sagte: »Teresa …« Sie beugte sich weiter zu seinem marmorgrauen Gesicht hinunter. »Ja?«
Max Hansens Lippen bewegten sich nicht, und die Konsonanten waren nur dünne Lufthauche, als er sagte: »Das war schön, du. Das war schön … das war schön … das war schön …«
»Nur eine Sache«, sagte Teresa. »Dieses Material, das du über Theres gesammelt hast. Wird das jetzt ans Licht kommen?«
Max Hansen machte eine Bewegung mit dem Kopf, die Andeutung eines Schüttelns, ein Nein, worauf er weiter flüsterte: »Das war schön … das war schön …«
Teresa zuckte mit den Schultern. »Schön, dass es dir gefallen hat. Aber gleichzeitig auch ein bisschen schade. Aber vielleicht änderst du ja deine Meinung jetzt.«
Sie holte die Bohrmaschine, deren Akku sie den ganzen Tag aufgeladen hatte, und drückte auf den Knopf. Der fingerdicke Bohrer wirbelte mit zwanzig Umdrehungen pro Sekunde herum. Sie zeigte ihn Max Hansen, ließ den Motor ein paar Mal aufheulen, bevor sie ihn auf den Zettel an seiner Schläfe drückte.
Und endlich kam der Schrei, nach dem sie sich gesehnt hatte.
Die Mädchen versammelten sich um den Körper, der wie ein Fisch an Land zappelte, während das Blut immer kraftloser aus dem Loch in der Schläfe pulste. Theres stand an seinem Scheitel und strich das klebrige Haar aus Max Hansens Stirn. Sie sagte: »Kommt näher.«
Sie drängten sich dicht zusammen, vierzehn Mädchen. Ein Zischen erklang aus Max Hansens Kehle, und der Körper rührte sich nicht mehr. Das Blutstrom aus der Schläfe versiegte, und als wäre das kleine, schwarze Loch ein Punkt mit wachsender Schwerkraft, wurden sie alle immer näher herangezogen, so nahe es ging, während sich dünne Rauchschlingen wie Spinnenfäden ausstreckten.
Sie atmeten gemeinsam ein, inhalierten, was Max Hansen gewesen war, und verleibten es ihrem eigenen Blutkreislauf ein. Aber es war so wenig, viel zu wenig. Viele von ihnen führten ihre Lippen näher an das Loch heran, um etwas herauszulocken, was nicht mehr da war, küssten beinahe Max Hansens zerstörten Schädel, um den letzten Rest in sich hineinzuschlürfen.
Sie richteten sich auf, und das Licht in der Garage war so stark, der eisengesättigte Duft des Blutes so kräftig, und das Geräusch, mit dem sich ihre auf dem Plastik festgeklebten Füße wieder lösten, gellte in den Ohren. Sie atmeten stoßweise und fanden in ihre weit geöffneten Körper zurück.
»Wir sind hier«, sagte Theres. »Jetzt sind wir hier.«
8
Viele weinten in der Nacht. Ihre Sinne waren frische Wunden und die Wahrnehmungen viel zu stark. Sie trösteten und hielten einander fest, teilten Schlafsäcke miteinander oder streichelten einander wortlos das Gesicht.
Doch trotz des Weinens und trotz des Bedürfnisses nach Trost war das grundlegende
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