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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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und so blieb sie einfach nur vor ihm sitzen, während er die Trauer aus sich heraushickste, deren Ursache sie nicht verstand.
    Johannes holte tief Luft und wischte sich die Wangen mit den Jackenärmeln ab. Dann sagte er: »Können wir nicht einmal so tun, als ob?«
    Teresa spürte, wie ihr Körper nachgiebig wurde. Wenn es ein Trost für Johannes war, dann könnte sie es zumindest einmal versuchen. Also fragte sie: »Als ob was?«
    »Könnten wir so tun, als ob wir tot wären?«
    »Was macht man da?«
    »Man legt sich einfach hin. Und tut so, als gäbe es einen nicht. Oder man kann so tun, als würde man gerade begraben.«
    Johannes legte sich lang hin. Ausnahmsweise nahm er es nicht so genau mit seiner Kleidung. Teresa legte sich daneben und schaute zum verwinkelten Felsdach der Höhle hinauf. So blieben sie eine Weile liegen. Teresa versuchte an nichts zu denken und stellte fest, dass es ziemlich gut funktionierte.
    Dann sagte Johannes: »Jetzt sind wir tot.«
    »Ja«, sagte Teresa.
    »Wir liegen zusammen in einem Grab, und alle sind nach Hause gegangen.«
    »Wie können wir uns dann unterhalten? Wenn wir doch tot sind?«
    »Die Toten können miteinander sprechen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Wir tun so.«
    »Okay.«
    Teresa schaute von unten auf das graue Felsdach und versuchte sich vorzustellen, dass es Erde war. Es ging nicht. Dann versuchte sie sich vorzustellen, dass es eines dieser mit Steinen bedeckten Gräber war, wie die Wikinger sie hatten. Das gingbesser. Sie war tot und lag in einem Steinhaufen. Das war richtig schön.
    »Wir sind die Toten«, sagte Johannes.
    »Ja.«
    »Niemand kommt und klopft an, niemand sagt uns, dass wir etwas tun sollen.«
    »Nee.«
    »Alle haben uns vergessen.«
    Die leisen Geräusche von draußen verschwanden, als Teresa in eine dichte Blase der Stille eintauchte. Sie hatte sich wegen ihrer verschwundenen Sporthose Sorgen gemacht, sie hatte sich wegen der Dunkelheit unter ihrem Bett Sorgen gemacht, jetzt machte sie sich keine Sorgen mehr. Es war so einfach, tot zu sein. Sie wurde ganz ruhig. Vielleicht war sie sogar für einen Augenblick eingeschlafen, als sie Johannes’ Stimme wie aus weiter Entfernung hörte.
    »Teresa?«
    »Ja.«
    »Wenn wir groß sind. Wollen wir dann heiraten?«
    »Ja. Aber das können wir jetzt nicht sagen. Wo wir doch tot sind.«
    »Nee. Aber dann. Dann werden wir heiraten. Und dann sterben wir gleichzeitig. Und liegen zusammen in einem Grab.«
    »Ja. Das ist gut.«
    9
    Im Herbst des Jahres, in dem Teresa in die fünfte Klasse kam, bekamen sie die Aufgabe, ihren Sommer zu beschreiben. Teresa widmete den Großteil ihres Aufsatzes dem Ausflug ihrer Familie in den Ferienpark Skara Sommarland, obwohl sie nur drei Tage dort verbracht hatten und Teresa sich überhaupt nicht amüsiert hatte. In den letzten Zeilen erwähnte sie, dass sie außerdem viel geradelt sowie geschwommen sei und Spiele gespielt habe – alles, was sie mit Johannes unternommen und den Großteil des Sommers ausgemacht hatte. Seinen Namen erwähnte sie nicht.
    Natürlich wussten alle in ihrer Klasse, dass sie und Johannes Freunde waren. In einem so kleinen Ort war das nicht zu vermeiden. Aber Johannes war niemand, mit dem man angeben konnte. Er trug gebügelte, kurzärmelige Hemden, und wenn er kurze Hosen anhatte, waren seine Strümpfe bis über die Waden hochgezogen. Er benahm sich seltsam und gezwungen, sobald sie andere Kinder in ihrem Alter trafen. Dass er ein Fahrrad mit vierundzwanzig Gängen besaß, half in dieser Hinsicht dann auch nichts mehr.
    Also vermied sie es, Johannes zu erwähnen. Während des Sommers hatte sie ein paar Sticheleien – um nicht zu sagen: Verachtung – zu ertragen, wenn sie mit ihm gesehen wurde. Sie wollte das Gekicher und die Würglaute aus ihrer Klasse nicht hören, wenn ihre Sommergeschichte vorgelesen wurde.
    In einer bestimmten Hinsicht konnte man also behaupten, dass Teresas Bericht über ihren Sommer verlogen war. In anderer Hinsicht dagegen nicht. Sie unterließ es lediglich, Details zu erwähnen, die ein unvorteilhaftes Licht auf sie werfen konnten, und frisierte Tatsachen, wo es nötig war.
    Sie wusste, dass es normal und richtig war, ins Skara Sommarland zu fahren und das schwindelnde Gefühl im Bauch zu beschreiben, wenn man die höchste Wasserrutsche hinunterraste, obwohl sie selbst gar nicht darauf unterwegs gewesen war. Sie wusste, dass es okay war, sich ein bisschen darüber zu beklagen, wie eng es in der Feriensiedlung war, aber nicht,

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