Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
können und fühlte sich so erleichtert, dass er es irgendwie zeigen musste. Als er ihre Wange streichelte, schaute sie ihn nicht an, lächelte nicht einmal ansatzweise. Aber sie zog den Kopf auch nicht weg.
Eine Stunde später saß Jerry am Computer und las Immobilienanzeigen im Internet.
3
Nach ein paar Tagen mit E-Mail-Wechseln und Telefongesprächen gab Jerry Theres genaue Anweisungen, wie sie sich in seiner Abwesenheit zu verhalten hatte und was sie tun und nicht tun durfte, worauf er nach Stockholm fuhr, um sich eine Wohnung in Svedmyra anzuschauen.
Es handelte sich um eine Dreizimmerwohnung mit zweiundachtzig Quadratmetern in einer Gegend, die einen dermaßen ruhigen und stillen Eindruck machte, dass man wahrscheinlich hören konnte, wenn ein Nagel auf einen der vielen verglasten Balkone fiel.
Jerry näherte sich von der U-Bahnstation aus und versuchte ein Gefühl für den Ort zu bekommen. Es fühlte sich … abgeschlossen an. Irgendwann war hier vielleicht einmal etwas los gewesen, junge Männer mit Hüten waren durch die Straßen gegangen und hatten sich modern gefühlt zwischen den dreistöckigen Backsteingebäuden, aber das war ganz schön lange her. Sie hatten ihre Hüte auf die Ablage verbannt und hielten sich an Katzen und Fernseher.
Als Jerry die Diskussionsforen nach verschiedenen Wohngebieten durchsucht hatte, war immer wieder ein Ausdruck in Beiträgen aufgetaucht, die vermutlich von älteren Herrschaften verfasst worden waren: Toben im Treppenhaus . Man klagte über das ewige Toben im Treppenhaus. Jerry hatte das Gefühl, dass Svedmyra ein Ort war, in dem wenig in den Treppenhäusern herumgetobt wurde. Genug gesagt.
Die Wohnung lag im obersten Stock und war wenig aufsehenerregend. Zwei Schlafzimmer mit Blick auf ein paar Kiefern, ein großes Badezimmer mit Waschmaschine und ein Wohnzimmer mit Küchenecke. Einhundertvierzigtausend schwarz sollte der Vertrag kosten, und der Makler versicherte ihm, dass der Letzte, der hier auf legalem Weg eine Wohnung bekommen hatte, zwölf Jahre darauf gewartet hatte.
Die Klein- und Großkriminellen, denen Jerry im Laufe seines Lebens begegnet war, wären bei einer polizeilichen Gegenüberstellung immer sofort als Kriminelle identifiziert worden, aber dieser Schwarzmakler sah so anständig und vertrauenerweckend aus, dass Jerry misstrauisch wurde. Anzug, gekämmte Haare und einschmeichelnde Zähne.
Wenn es ein Typ im Trainingsanzug mit Goldkettchen gewesen wäre, hätte Jerry weniger Bedenken gehabt, die fünfzigtausend aus seiner Tasche zu ziehen, die als Handgeld vereinbart waren. Jetzt weigerte er sich, mehr zu bezahlen als fünfundzwanzigtausend. Der Makler spulte die ganze Story ab, über den angeblichen Wohnungstausch, die Papiere, die unterschrieben werden mussten, und so weiter, aber Jerry blieb hart.
Er drehte eine Runde durch die Wohnung, während der Makler immer irritierter seine Phrasen drosch. Jerry sah, wo er seinen Computertisch aufstellen konnte, direkt dort neben dem Breitbandanschluss, hier würde das Bett stehen, das wäreTheres’ Zimmer und so weiter. Er mochte die Bude. Als er zum Makler zurückkehrte und dieser sagte, dass ohne vierzigtausend auf die Hand das Geschäft gestorben sei, erwiderte Jerry, dass er bei fünfundzwanzigtausend bleibe, aber zehn drauflegen würde, wenn alles unter Dach und Fach wäre. Einhundertfünfzigtausend total.
Fünfundzwanzig Riesen wechselten den Besitzer, und Hände wurden geschüttelt.
Als Jerry in der U-Bahn Richtung Technische Hochschule und später im Bus nach Norrtälje saß, war er ziemlich zufrieden mit sich selbst. Falls er reingelegt wurde, dann war es keine Katastrophe. Er hatte noch gut dreihunderttausend vom Internetpoker auf die Seite gelegt.
Aber er wurde nicht reingelegt. Eine Woche später konnte er die Schlüssel holen, den Vertrag unterschreiben und das restliche Geld für die Wohnung bezahlen, in der er nun gemeinsam mit seiner Tochter wohnen würde – so die offizielle Version.
Der eigentliche Umzug machte ihm Sorgen. Jerry besaß nicht viele Dinge, aber ein paar davon konnte er nicht allein die Treppe runtertragen. Das Bett, das Sofa, die Bücherregale und so weiter. Er hatte niemanden, den er um Hilfe bitten konnte, und selbst wenn Theres kräftig genug gewesen wäre, an einem Ende anzupacken, wagte er es nicht zuzulassen, dass sie sich in Norrtälje zeigte.
Es musste eine Umzugsfirma her.
An dem vereinbarten Tag erklärte er Theres, dass ein paar Männer kommen und ihnen
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