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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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zu gehen. Die Krämpfe folgten dichter aufeinander, und als Jerry die Temperatur maß, zeigte das Thermometer 40,3 Grad. Um Mitternacht war sie so schwach, dass sie nicht einmal den Kopf heben konnte, um sich zu übergeben, sodass Jerry mit einem Handtuch danebensitzen und aufpassen musste. Vielleicht wäre er vor Müdigkeit zusammengebrochen, wenn ihn die Angst nicht wach gehalten hätte.
    Er schleppte seine Matratze ins Wohnzimmer und legte sich neben sie auf den Fußboden. Er scherte sich nicht mehr darum, ob Hirsfeldt bei der Polizei anrief oder die Kassiererin in den Büschen lauerte und spähte, er wollte nur, dass Theres nicht starb. Er hatte noch nie jemanden gesehen, der so krank war. Würde Ingemar noch einmal seine Visage in Norrtälje zeigen, Jerry würde sie ihm bis in den Hals hinunterhämmern.
    Vielleicht war er für einen Moment eingeschlafen, als er Theres flüstern hörte: »Pipi.«
    Er trug sie zur Toilette und hockte sich vor sie, um sie an den Schultern festzuhalten, damit sie nicht herunterfiel. Sie war so heiß, dass er in den Handflächen zu schwitzen begann. Es war unbegreiflich, wie ihr kleiner Körper so viel Wärme erzeugen konnte. Ihr Kopf hing herunter, und plötzlich gab sie den letzten Widerstand auf und fiel vollkommen schlaff zusammen.
    »Schwesterchen? Schwesterchen? Theres!«
    Er hob ihren Kopf an. Die Augen hatten sich in den Schädel gedreht, sodass nur das Weiße zu sehen war, und ein Speichelfaden rann zwischen ihren regungslosen Lippen heraus. Er legte das Ohr an ihren Mund und konnte ein ganz schwaches Atmen vernehmen, ein Hauch von Wüstenhitze an seinem Ohr. Er hob sie hoch und trug sie auf das Sofa zurück, wo er sie in kühle Tücher hüllte, sich neben sie legte und ihre Hand nahm.
    »Schwesterchen? Schwesterchen? Nicht sterben. Bitte. Ich werde dich nicht weggeben. Ich werde mich um dich kümmern, hörst du mich? Ich werde es irgendwie hinkriegen, aber bitte stirb nicht. Hörst du?«
    Jerry rollte sich auf seiner Matratze zusammen, ohne ihre Hand loszulassen, lag da und starrte im Halbdunkel des Zimmers ihren Mund an, weil die Lippen das Einzige waren, was sie hin und wieder bewegte, und es ihm zeigte, dass sie noch am Leben war. Jerry hing an ihren Lippen und machte sich klar, was er schon vor langer Zeit hätte einsehen müssen: Stirb nicht. Ich habe doch nur dich.
    Vielleicht waren fünf Minuten vergangen, vielleicht eine Stunde. Vielleicht schlief er und träumte, vielleicht war er wach und sah tatsächlich, was er sah. Wenn er träumte, dann träumte er, dass er auf der Matratze neben Theres lag und ihre warme, leblose Hand hielt, als sich ihr Mund ein paar Zentimeter öffnete. Zuerst war er froh, weil es das deutlichste Anzeichen war, das sie im Laufe der letzten Stunden gezeigt hatte. Dann sah er den dünnen, roten Rauch, der sich zwischen ihren Lippen herauszukringeln begann.
    Die Panik trieb einen Stachel in sein Herz, und er sprang auf die Füße. Ganz von Sinnen vor Müdigkeit und Angst griff er nach dem feuchten Badelaken und warf es über ihren Mund, über ihr Gesicht, um den roten Rauch am Austreten zu hindern. Er drückte den Frotteestoff gegen ihre Lippen, während er panisch den Kopf schüttelte.
    Es ist nicht so, so geht das nicht, das geschieht nicht.
    Einige Sekunden vergingen, und er erwartete, dass der rote Rauch bald durch den Stoff hindurchdringen würde. Dann wurde ihm bewusst, was er gerade tat. Er riss das Badelaken weg und legte das Ohr an ihren Mund. Er hörte und spürte nichts, und er schlug sich selbst mit beiden Händen gegen die Schläfen, bis die Bronzeglocken im Hinterkopf dröhnten.
    Ich habe sie umgebracht. Ich habe sie umgebracht. Ich habe sie erstickt.
    Theres schlug die Augen auf, und Jerry schrie und stolperte rückwärts, warf den Couchtisch um und fiel mit einem Krachen zu Boden. Sie streckte ihm die Hand entgegen. Jerry atmete ein paar Mal tief durch und bekam sich selbst wieder unter Kontrolle. Er nahm ihre Hand und flüsterte: »Ich dachte, du stirbst. Gerade eben.«
    Theres schloss die Augen und sagte: »Ich wurde tot. Dann wurde ich nicht tot.«
    Es klopfte an der Wand. Hirsfeldt war wach.
    Im Laufe der Nacht ließ das Fieber nach, und am Morgen war es auf achtunddreißig Grad gesunken. Theres konnte Wasser trinken und sogar etwas aus dem Gläschen mit Aprikosenpüree essen, das noch im Kühlschrank gestanden hatte. Sie setzte sich im Bett auf und hielt den Löffel selbst. Jerry hatte am Morgen noch zwei Stunden schlafen

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