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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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rangelten darum, wer als Erster von ihm gestreichelt werden durfte. Monty war ein zurückhaltender, leiser Mensch und wusste mehr über Wölfe und Wolfsmischlinge als irgendjemand anders. Oft musste er als Experte vor Gericht aussagen, wenn |35| ein Wolfsmischling einen Menschen angefallen hatte. Wolf-Hund-Mischlinge kamen gerade in Mode. Aber ein Tier, das zwar die Kraft und das Verhalten eines wilden Wolfes besaß, aber nicht seine Scheu, ist eine hochgefährliche Kombination. Die wenigsten Tierbesitzer hatten eine Ahnung, was sie sich da ins Haus holten.
    Pat Goodman, die Biologin, galt als inoffizielle »Wolfsgöttin«. Sie lebte seit vierzehn Jahren in Wolf Park und kannte jeden einzelnen Wolf von Geburt an. Wenn sie mit ihrem dunklen Zopf, der ihr bis zur Hüfte reichte, von den Wölfen umringt im Gehege stand, sah sie aus, als sei sie soeben einem Indianerfilm entstiegen.
    Sie schien eine besondere Beziehung zu den Tieren zu haben. Mit sehr viel Liebe und noch mehr Geduld brachte sie fast jeden Wolf dazu, das zu tun, was sie wollte. Ich fragte nach ihrem Geheimnis.
    »Das ist ganz einfach. Wenn ich will, dass ein Wolf etwas tun soll, muss ich zuerst wissen, welchen Charakter er hat. Wie verhält er sich in bestimmten Situationen? Was motiviert ihn? Was mag er nicht? Wenn ich das alles weiß, kann ich ihn auf seine Art und Weise dazu bringen, freiwillig zu tun, was ich will.« Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu.
    »Dabei macht mir der Wolf dann aber stets deutlich klar, dass die ganze Sache sowieso von Anfang an seine Idee gewesen war.«
    Wer manipuliert hier wen?, fragte ich mich.
    »Ich glaube, das probier ich mal mit meinem Freund aus«, freute sich meine Mitpraktikantin Lissi über die Ratschläge.
     
    Das Training der Wölfe war aber nicht nur Zeitvertreib, sondern auch eine große Hilfe, wenn der wöchentliche Tierarztbesuch anstand. Jeden Dienstag kam eine Tierärztin, um die Wölfe zu untersuchen – zumindest jene, die das zuließen.
    Bei der Blutentnahme zahlte es sich aus, dass die Tiere schon als Welpen an menschliche Berührung gewöhnt waren. Aurora, die kleine Wölfin mit der Stupsnase, schien die Vampirnummer |36| zu mögen. Auf Pats Füßen sitzend und den Rücken bequem an ihre Beine gelehnt, sah sie aus wie ein Männchen machender Hase. Während Pat Aurora die Brust kraulte, konnte ihr die Tierärztin in aller Ruhe Blut entnehmen. Die Wölfin zuckte mit keiner Wimper. Mit halb geschlossenen Augen gab sie sich Pats Zärtlichkeiten hin.
    Nicht ganz so einfach ist es hingegen, die Temperatur eines Wolfes zu messen. Man muss ihn vorn so lange und intensiv beschäftigen, bis er hinten ruhig hält. Das war bei Imbo relativ einfach. Ein wenig Kraulen hinter den Ohren und ein Kauknochen im Maul genügten, den alten Leitwolf konnte nur wenig erschüttern. Bei der schüchternen Vega dagegen gestaltete sich die Prozedur schon deutlich schwieriger. Wann immer die Ärztin versuchte, das Thermometer in die vorgesehene Körperöffnung zu schieben, warf sich die Wölfin laut schreiend auf den Boden und schnappte um sich. Schließlich gaben wir auf. Bei drei kooperativeren Wölfen hatten wir normale Temperaturen von achtunddreißig Grad gemessen, und Vega schien ansonsten nicht auffällig.
    Nun mussten noch die Rüden untersucht werden. Bei ihnen wurden Länge und Umfang der Geschlechtsteile gemessen und eine Samenprobe entnommen. Dazu beschäftigten wir sie ebenfalls vorn mit Leckerlis, während die Tierärztin für das benötigte Ergebnis sorgte. Der Samen konnte an andere Wolfsinstitute und Zoos verschickt werden, um so für nicht verwandten Nachwuchs zu sorgen.
    Gelegentlich kamen ehemalige Studenten von Erich oder Wolfspaten zu Besuch. Um die enormen Kosten der Unterhaltung einer solchen Einrichtung zu decken, hatte Wolf Park ein Patenschaftsprogramm ins Leben gerufen. Gegen eine Geldspende konnten Interessenten die Patenschaft für einen Wolf ihrer Wahl übernehmen. Dafür erhielten sie einen jährlichen Bericht und ein Foto »ihres« Wolfes.
    Mich beeindruckte, wie unterschiedlich die Menschen waren, die sich für die Tiere interessierten. Sie kamen aus allen Schichten und Berufen. Hundetrainer, Handwerker, Musiker, |37| Künstler, ganz normale Hausfrauen. Eine völlig neue Welt erschloss sich mir. Wie klein und eng war mein Leben in den letzten Jahren gewesen. Der Juristenalltag, die Aktenberge, die dunklen Gerichtssäle. Paragrafen und juristische Kommentare statt Gespräche über Tiere, Natur

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