Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen
aufgeben – was soll man schon machen, wenn man die Wahl hat, zwischen der Aussicht auf einen fetten Happen Dickhornschaf und dem wahrscheinlichen Absturz von einer steilen Bergklippe? Schließlich verloren wir die Druids aus den Augen.
Es war Zeit für ein erstes heißes Frühstück. Wir fuhren nach Cooke City ins Bistro. In dem gemütlichen Blockhaus-Café prasselte der Kamin, und Richard, der Eigentümer, goss, ohne zu fragen, die großen Kaffeebecher voll. Richard ist in der französischen Schweiz geboren und hat lange in der Karibik gelebt. Seit Jahren schon versucht er vergeblich, das Café zu verkaufen, um wieder zurück in ein wärmeres Land zu ziehen. Er freut sich immer, wenn ich mit deutschen |192| Gästen komme und er seine Sprachkenntnisse auffrischen kann.
Während wir uns bei einem typisch amerikanischen Frühstück mit Eiern, Speck und Bratkartoffeln stärkten, fiel draußen der Schnee in dicken Flocken. Wer so wie ich schneesüchtig ist, braucht nur nach Cooke City zu fahren. Dort türmt sich die weiße Pracht bis unter die Dächer der Häuser. Gerade im Winter verfügte der Ort über einen wundervollen Charme – wenn nicht die Schneemobile wären. Auf der Hauptstraße drehten sie mit lautem Knattern ihre ersten Aufwärmrunden, während ein paar Hunde flink auswichen. Benzindunst lag in der Luft. Für Cooke City waren die Schneemobilfahrer – neben den Wolfsbeobachtern – die wichtigste Einnahmequelle.
Seit ihrer Wiederansiedlung sind die Wölfe zum größten Tourismusfaktor in Yellowstone geworden. Die Menschen kommen aus der ganzen Welt und lassen viel Geld hier. Die kleinen Hotels und Motels in Cooke City und Gardiner müssen nun nicht mehr während der Monate April, Oktober und November schließen. Dank der Wolfsbeobachter sind sie ganzjährig geöffnet – und meist ausgebucht. Gerade in der Nebensaison kommen viele Besucher, um Wölfe und Bären zu beobachten. Sie halten mehr als zwölf Stunden am Tag nach ihnen Ausschau. Die Wolfsfans übernachten nicht nur im oder am Park, sie gehen essen und kaufen T-Shirts, Wolfsposter oder Wolfstassen in den Souvenirläden und Galerien – ganz zu schweigen von Fotoapparaten, Filmkameras und Ferngläsern. Nach einer Studie aus dem Jahr 2006 gibt ein Wolfsbeobachter etwa hundertsechzig Dollar pro Tag aus. Die Wölfe bringen so jährlich eine geschätzte Mehreinnahme von fünfunddreißig Millionen Dollar Steuereinnahmen in die Staatskasse von Montana und sieben bis zehn Millionen Dollar in die umliegenden Gemeinden.
Natürlich tragen auch Sabine, Katrin, Henning und Rolf zu diesen Mehreinnahmen bei. Beim Vortreffen hatte ich empfohlen, eine leere Reisetasche in den Koffer zu packen.
»Ihr werdet sie brauchen!«
|193| Schon am ersten Tag waren die vier beim Einkauf von »Fanartikeln« kaum zu bremsen. Dabei würde es sicher nicht bleiben. Aber auch mit dem Geld, das sie für diese Reise bezahlt hatten, unterstützen sie direkt das Yellowstone-Wolfsprojekt, denn vom Gewinn gehen zwanzig Prozent an die gemeinnützige Yellowstone Park Foundation, die auch die Hälfte des Honorars von Rick McIntyre bezahlt (die andere Hälfte wird vom Nationalpark Service übernommen).
Frisch gestärkt machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach Yellowstone. Zuvor stoppten wir in der Galerie »Wildlife of the Rockies« in Silver Gate. Das kleine Blockhaus gehört dem Fotografen Dan Hartmann, dessen Bilder schon in zahlreichen Magazinen von National Geographic erschienen sind. Ich unterstütze Dan und seine Arbeit, weil ich weiß, dass er als Fotograf sehr rücksichtsvoll arbeitet. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Mit den Wölfen kamen auch ihre Paparazzi, Fotografen, die alles für ein gutes Wolfsfoto tun – leider oft auf Kosten der Wölfe.
So kann es passieren, dass Wölfe ein Tier reißen und nicht zum Fressen am Kadaver kommen können, weil die Fotografen ihn schon belagern. Oder ein Wolf versucht, die Straße zu überqueren, um Futter zu seinen Welpen zu bringen, und wird durch Fotografen daran gehindert.
Ich habe große Probleme, mit einem solchen Verhalten umzugehen. Spreche ich die Fotorüpel direkt darauf an, ernte ich nur böse Blicke. Ich habe eigentlich nicht das Recht, ihr Verhalten zu kritisieren. Das ist Aufgabe der Parkranger, die unterbesetzt, überarbeitet und selten zur Stelle sind, wenn sie gebraucht werden. Doch es gibt einfach zu wenig Personal, und der US-Regierung mangelt es an Geld, um aufzustocken.
Sanftmut und
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