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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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deshalb besser? Hat sich die Forschung durch die neuen Erkenntnisse geändert? Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil sich die Umstände drastisch geändert haben.
    Die Forschung an den Gehegewölfen in Wolf Park war um einiges leichter. Die Wölfe hatten einen festen Tagesablauf, wurden gefüttert und mussten sich nicht wie ihre wilden Verwandten auf ständig neue Situationen einstellen. Ihr Verhalten zu beobachten war – nicht nur durch die Beobachtungsnähe – deutlich einfacher als bei den wilden Wölfen. Aber die wirklich großen Fragen konnten wir in Wolf Park nicht beantworten: Wie stabil ist eine Wolfspopulation? Wann wandern einzelne Wölfe wohin ab? Sind sie eine Bedrohung für Beutetierpopulationen? Wie wirken sich Krankheiten auf das Überleben der Wölfe aus?
    Um solche Fragen zu beantworten, wird man letztendlich |185| nicht um Forschungsprojekte herumkommen, die relativ schnell Antwort geben. Dann rückt oft das Prestige eines Forschungsprojektes und die Bedeutung der Gelder, die dabei fließen, in den Vordergrund.
    Ich stecke in einem Dilemma. Jeder Kritiker kann mir vorwerfen, dass ich als Nicht-Biologin sowieso keine Ahnung von der Bedeutung der Forschung habe. Da mag er recht haben. Aber nach fast zwanzig Jahren Beobachtung von wilden Wölfen bin ich der Auffassung, dass Wölfe mitfühlend handelnde Lebewesen mit individuellen Persönlichkeiten sind, die Besseres verdienen. Sie verdienen es, auch in der Forschung mit Respekt behandelt zu werden und nicht als Studienobjekte. Das Manifest der Tiere ist einfach und direkt: Behandle uns besser oder lass uns in Ruhe.
    Renée Askins, die Frau, die mit dem Wolf Fund den Grundstein für die Rückkehr der Wölfe nach Yellowstone gelegt hatte, sagte einmal: »Wir brauchen ein anderes, vernünftigeres und vielleicht mystischeres Verständnis für Tiere. Der Natur entfremdet und abhängig von hochentwickelter Technologie, betrachten wir sie durch das Brennglas unserer Wissenschaft, sehen das Bild verzerrt. Wir bedauern sie wegen ihrer vermeintlichen Unvollkommenheit, wegen ihres ›tragischen Schicksals‹, uns, der Krone der Schöpfung, weit unterlegen zu sein. Doch darin irren wir, irren wir sehr. Tiere lassen sich nicht am Maßstab der Menschen messen. Sie bewegen sich perfekt in einer Welt, die älter und ausgereifter ist als die unsere, erbringen Sinnesleistungen, die wir verloren oder nie entwickelt haben, und dürfen auf Stimmen vertrauen, die wir niemals hören werden. Sie sind uns weder Geschwister noch Diener; sie gehören anderen Völkern an, sind mit uns jedoch verstrickt im Netz aus Sein und Zeit, sind Mitgefangene auf dieser so prächtigen und leidvollen Erde.«

|186| STARS UND GROUPIES
    »Da! Da! Da ist er!«, schrie Katrin neben mir auf. »Casanooovaaaa!« Die Touristen und Fotografen, die bisher in entspannter Konversation zusammengestanden waren, schreckten hoch und stürzten an ihre Spektive, Ferngläser und Kameras. Der Star des Lamar Valley hatte seinen Auftritt. Fehlte nur noch, dass er Autogrammkarten aus dem schwarzen Pelz hervorzauberte und an seine Fans verteilte.
    Katrin war aus Deutschland nach Yellowstone gekommen, um wilde Wölfe zu sehen. Dass ausgerechnet Casanova als erster Wolf seine Aufwartung machen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Aufgeregt hüpfte sie von einem Bein auf das andere. »Ich hab ihn gesehen! Ich hab ihn endlich gesehen!« Kameras klickten, und Katrin war kurz vor einer Ohnmacht. Für sie hatte sich die Reise nach Yellowstone schon jetzt gelohnt. Sie hatte einen Blick auf den berühmtesten Wolf des Nationalparks werfen dürfen.
    Katrin tut es. US-Präsident Barack Obama hat es getan; ebenso Ex-Präsident Bill Clinton. Ich tue es ebenfalls und mit mir zwanzigtausend Besucher jährlich: Wolfwatching in Yellowstone. Wir alle folgen den Wölfen wie Groupies den Rockstars. Fast jeder, der mehr als einmal hierherkommt, hat eine Geschichte, die er erzählen kann. Für manche ist das Erlebnis, einen Wolf zu sehen, ein Wendepunkt im Leben.
    Um dies zu erleben, muss ich neuntausend Kilometer nach Yellowstone fliegen. Zwar gibt es Wölfe auch in Deutschland, der Schweiz, Italien, Polen, Spanien und einigen anderen europäischen Ländern. Aber dort ist es kaum möglich, die scheuen Tiere zu beobachten.
    Yellowstone ist der einzige Ort auf der Welt, wo man von |187| der Straße aus fast täglich Wölfe sehen kann. Das ist eine Sensation.
    Vor zehn Jahren habe ich angefangen, Interessierte zu meinen

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