Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen
Gelassenheit sind Lektionen, die ich noch dringend lernen muss. In solchen Momenten versuche ich mich daran zu erinnern, dass ich das Verhalten anderer nicht ändern kann. Die Wölfe zeigen mir, dass es auch anders geht. |194| Sie passen sich an, so wie sie es immer tun. Sie überqueren die Straße an einer unübersichtlichen Stelle oder warten, bis es dunkel wird. Und sie bringen ihrem Nachwuchs bei, wie man sich in der Nähe dieser aufdringlichen Zweibeiner verhalten muss.
Natürlich sind nicht alle Fotografen gleich. Es gibt genügend Profis, die rücksichtsvoll sind und eher auf ein Foto verzichten, als einen Wolf zu stören. Diese Fotografen unterstütze ich, indem ich ausschließlich deren Fotos für meine Bücher verwende.
Dan und seine Frau Cindy gehören zu den Fotografen, die ethisch arbeiten. Neben Wölfen und Bären hat sich Dan besonders auf Eulenvögel spezialisiert. Es gibt kaum ein Eulennest in Yellowstone, das er nicht kennt. Cassie, eine seiner beiden Töchter, fotografiert, seit sie zehn Jahre alt ist. Das zierliche stille Mädchen hat schon mehrere Auszeichnungen für ihre Fotos erhalten. Die Hartmanns haben ein Zimmer ihres gemütlichen Blockhauses zur Galerie umgebaut. Kommen Besucher, schiebt Dan die beiden kleinen Fenster nach oben und zeigt ihnen die Tiere, die vom ausgestreuten Futter fressen: Eichhörnchen, zahlreiche bunte Häher wie Meisenhäher, Diademhäher, Kiefernhäher, Dutzende Gambelmeisen, Kanadakleiber und Carolinakleiber und mitunter sogar ein Marder lassen sich blicken und bieten den Besuchern manch gutes Motiv. Wenn man Glück hat, läuft auch einmal ein Elch durch den Garten der Hartmanns.
Als Dan in einer Schule in Gardiner einen Vortrag über seine Arbeit hielt, war ich eingeladen. Die Kinder und Jugendlichen wollten wissen, wie man Tierfotograf wird. Ganz in seinem Element, fragte Dan die Kinder, was denn ihrer Meinung nach das wichtigste Handwerkszeug für einen Tierfotografen sei.
»Ein Fotoapparat«, kam die logische Antwort wie aus der Pistole geschossen.
»Irrtum.« Jetzt begann Dan zu flüstern.
»Es ist das Gehör. Ihr müsst hören, was um euch herum |195| passiert. Einen Vogel, der auffliegt. Ein Rascheln im Gebüsch. Den Schrei eines Hähers. Das alles zeigt euch, ob da draußen vielleicht noch etwas anderes ist.«
Die Kinder hingen gebannt an seinen Lippen, während der Fotograf weiter von seinen Abenteuern mit Wölfen und Bären erzählte. Wir alle konnten miterleben und fühlen, dass da ein Mann stand, der seinen Beruf über alles liebte.
Die Zeit in Dans Galerie verging wie im Flug. Inzwischen war Jeff Hogan, ein BBC-Tierfilmer, eingetroffen. Gemeinsam mit Dan wollte er für einen neuen Film Otter suchen. Wir verabschiedeten uns.
Mit einem um einige Wolfssouvenirs volleren Wagen ging es wieder zurück ins Lamar Valley. Über Funk erfuhren wir, dass die Druids erneut ihre Aufwartung machten. Wir fuhren ins Slough-Creek-Gebiet und kletterten auf Daves Hill, einen kleinen Hügel, der den besten Rundumblick bot. Dort hatten sich schon etwa zwanzig Wolfwatcher versammelt. Alle warteten gespannt und suchten mit den Ferngläsern nach »sich bewegenden Punkten«. Und dann tauchten sie auf. Einer nach dem anderen.
Unter den deutschen Wolfsfans war es mit der Ruhe vorbei. Aufgeregt begann jeder, laut mitzuzählen:
»Ich seh sie!«, rief Henning und freute sich, dass er Rolf seinen Titel »Adlerauge« streitig machen konnte.
»Ich auch, ich auch«, schrie Rolf.
»Ooohhh!« und »Ach, ist das aaauuufregend«, kam es von den Mädels.
Und als Rick über Funk die genaue Anzahl der Wölfe wissen wollte, begannen alle laut zu zählen.
»Ich seh nur einen – nein zwei!«
»Da kommen noch zwei von links.«
»Jetzt sind die anderen wieder weg.«
»Drei – vier – fünf – sechs – sieben … Wo sind denn jetzt die anderen hin?«
»Seid doch mal still, ich versteh gar nichts mehr.«
Rick monierte die schlechte Verständigung und bat Bob |196| Wiltermood, ihm die Zahlen durchzugeben. Bobs Dachantenne verfügte über eine deutlich weitere Reichweite. Keiner von uns wagte, die Augen vom Spektiv zu nehmen, um die Wölfe nicht zu verlieren. Kathie stand zwischen Bob und mir.
Kathie: »Ich habe jetzt zwei schwarze und vier graue.«
Ich zu Bob: »Sag Rick: zwei schwarze und vier graue.«
Bob: »Rick! Zwei schwarze und vier graue.«
Sabine schaute mit großen Augen von Kathie zu mir, zu Bob und wieder zu mir und zu Kathie und sagte treffend: »Das ist hier
Weitere Kostenlose Bücher