Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen
wie bei der stillen Post!« Nur dass es ganz und gar nicht still war.
Unser Adrenalinspiegel stieg in ungeahnte Höhen. Hinzu kam, dass hinter uns, westlich vom Höhlengebiet der Sloughs, noch drei Wölfe einer anderen Wolfsfamilie auf einem Hügel lagen und alles verschliefen. Ihr Heulen, als sie aufwachten, ging völlig in der aufgeregten Druid-Zählerei unter.
Am Ende hatten wir insgesamt dreizehn Druids (acht schwarze und fünf graue), die komplette Gruppe. Kurz bevor der letzte Rest Tageslicht endgültig verschwand, versammelten sich alle Wölfe noch einmal auf dem Berg. Schwanzwedeln, Mundwinkellecken, Herumtänzeln.
Dann versuchte der schwarze Druid-Leitwolf, die graue Leitwölfin zu besteigen. Mehrmals sprang er auf sie auf – und rutschte wieder herunter. Als er einmal länger oben blieb, schrien einige der zweibeinigen Voyeure: »Jetzt paaren sie sich!«, um zwei Minuten später enttäuscht festzustellen, dass es mit der Zeugung des Druid-Nachwuchses doch nicht geklappt hatte. Die Chefin hatte heute offensichtlich andere Interessen, oder der Chef stellte sich ungeschickt an. Dieser Wolf brauchte immer ein wenig länger, bis er bereit war. Schon in den letzten Jahren musste er zahlreiche Anläufe nehmen, bevor es funktionierte. Wir schauten noch eine Weile zu. Als es Nacht wurde, verließen wir schweren Herzens unseren Beobachtungsposten und die Wölfe.
Für den nächsten Tag stand eine Winterwanderung auf dem |197| Programm. Wir wollten mit Schneeschuhen zum Rose-Creek-Gehege wandern. Das ist das einzige noch erhaltene Gehege, in dem die kanadischen Wölfe 1995 und 1996 zur Eingewöhnung untergebracht worden waren. Es wurde benannt nach dem Gebiet, in dem es liegt und durch das der kleine Rose Creek fließt. Die ersten Wölfe, die hier freigelassen wurden, waren folglich auch die Rose Creek-Wölfe. Als stählernes Denkmal für die Rückkehr der Wölfe liegt es tief in den Bergen versteckt. Ich bin immer wieder gern hier.
Ich fuhr auf den Parkplatz hinter der historischen »Buffalo Ranch«, einer Ansammlung von winzigen Blockhütten in der Mitte des Lamar Valley. Hier hat das Yellowstone Institute sein Quartier und hält Kurse ab zu allen erdenklichen Themen wie »Leben mit Wölfen in Wyoming«, »Wildblumen von Yellowstone«, »Karten und Kompass«, »Naturfotografie« oder auch »Winter-Ökologie«. Ich habe schon an einigen Kursen teilgenommen und stets sehr interessante Menschen getroffen. Und wo sonst gab es einen Klassenraum, von dem aus man Wölfe und Bären beobachten konnte?
Auf dem Parkplatz schnallten wir unsere Schneeschuhe an, denn von nun an gab es keine festen Wege mehr. Für alle, bis auf Rolf und mich, war es das erste Mal, dass sie Schneeschuhe trugen. Sabine fragte mit skeptischem Gesicht: »Ist dabei schon einmal jemand umgekommen?« und dachte wohl an die Haftungsbefreiung, die sie bei der Ausleihe unterschreiben musste. Unter großem Gekichere stapften wir auf einem schmalen, nur leicht ausgetretenen Pfad die Berge hoch. Je höher wir kamen, desto tiefer sanken wir ein – an manchen Stellen bis zu den Knien. Weil einige Bisons direkt auf unserem Weg lagen, mussten wir Umwege laufen. Zwar sahen die großen Ungetüme im Schnee friedlich aus. Aber ich hatte sie auch schon wütend erlebt und wollte es nicht darauf ankommen lassen. Immer wieder werden Bisons von Touristen unterschätzt und ihre Toleranz auf eine harte Probe gestellt. Vor einigen Jahren sah ich, wie ein Vater versuchte, seine kleine Tochter auf den Rücken eines grasenden Bisons zu heben, um |198| ein Foto zu machen. Nur ein schneller Sprint zum glücklicherweise nahe stehenden Auto konnte ihn und das Kind noch vor dem wütenden Tier retten.
Wir hielten respektvollen Abstand und gingen ruhig weiter. Der eben noch breite Weg wurde immer schmaler und schlängelte sich weiter in die Höhe.
»Seht ihr den Baum dort?«, machte ich meine Gruppe auf tiefe Rillen in der Rinde eines Baumes aufmerksam.
»Das sind Kratzspuren von Bären.«
»Keine Sorge, die liegen jetzt in der Winterruhe«, konnte ich beruhigen. Da es aber in den letzten Jahren immer wieder einmal vorgekommen war, dass ein Grizzly vorzeitig seine Höhle verließ, weil es – dank der Wölfe – auch in dieser unwirtlichen Jahreszeit ein vielfältiges Nahrungsangebot gab, hatte ich sicherheitshalber mein Pfefferspray eingesteckt.
Wir kämpften uns weiter bergauf. Auf einer Anhöhe blieben wir stehen und blickten ins Tal, wo der Schnee unter der immer höher
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