Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
hatte ich mich getäuscht.
„Natürlich habe ich es gesehen“, erwiderte Mandenauer. „Ich habe darauf gewartet, dass die anderen sich zeigen, bevor ich schieße. Sie waren alle infiziert, Officer.“
Ich krümmte mich innerlich. Ich hatte es verbockt, und jetzt standen wir nach all den Stunden des Wartens mit leeren Händen da.
„Woher wissen Sie, dass sie alle infiziert waren?“
„Sie haben sich angeschlichen wie eine Spezialeinheit bei einer geheimen Operation.“
„Und woher wissen Sie das nun wieder?“
Mandenauer sah mich über seine lange, knochige Nase hinweg an. „Ich weiß es einfach.“
Spezialeinheit? Er?
„Jetzt übertreiben Sie, Mandenauer. Wie könnte ein Rudel Wölfe, Supervirus hin oder her, die Taktiken einer Spezialeinheit anwenden? Wie könnten sie hier oben an uns rankommen?“
„Daswerdenwirnunniemehrerfahren,nachdemSiesieverscheuchen mussten, bevor ich einschätzen konnte, was sie vorhatten.“
Ich unterdrückte das Bedürfnis, mich zu entschuldigen. Der Typ hatte sie nicht alle. Wölfe mit menschlicher Intelligenz? Selbst nachdem ich diese Augen gesehen hatte, fiel es mir schwer, daran zu glauben.
Das Ausmaß an Planung, von dem er sprach, überstieg die Möglichkeiten eines Tiers, selbst wenn es über eine gesteigerte Intelligenz verfügte. Wie entwickelten sie denn ihre Strategien? Indem sie mit den Pfoten Skizzen auf den Boden zeichneten?
„Ich dachte, Wölfe würden nur selten Menschen angreifen.“
„Das hier sind mehr als Wölfe.“
Mehr als Wölfe? Was bedeutete das? Ich könnte ihn fragen, aber dann würde er es mir wahrscheinlich sagen. Ich musste erst mit Clyde und ein paar anderen sprechen, bevor ich anfing, Mandenauer Fragen zu stellen. Ich hatte ernsthafte Zweifel, was seine geistige Gesundheit betraf.
Nachdem ich mein Gewehr gesichert hatte, griff ich nach dem Strick, der dazu diente, Waffen abzuseilen.
„Wo gehen Sie hin?“ Mandenauer saß mit dem Rücken gegen eine der Plankenwände gelehnt auf dem Boden des Hochsitzes.
„Wieder zur Arbeit.“
„Das hier ist jetzt Ihre Arbeit.“
Ich starrte zu dem Teil des Waldes, in dem die Wölfe verschwunden waren. „Abe r … “
„Jetzt, da sie wissen, dass wir hier sind, könnten sie zurückkehren. Bis zum Morgen ist es da unten nicht sicher.“
„Siemeinen,wirmüssendieganzeNachthiersitzenbleiben?“
Er zuckte die Achseln, dann kuschelte er sich mit den Schultern in die Ecke. „Wecken Sie mich, falls sie zurückkommen.“
Dann schloss er die Augen und schlief einfach so ein.
Schließlich kehrte das Tageslicht zurück. Wenn auch keiner der Wölfe.
Ich beobachtete eine Menge wilder Tiere in dieser Nacht, aber nichts, das ungewöhnlich gewesen wäre. Ein paar Waschbären, ein Opossum, eine Rehgeiß und zwei Kitze, die kurz vor Morgengrauen vorbeitrippelten. Mandenauer verschlief das alles.
Als die Sonne die ersten hellen Strahlen auf den Waldboden rund um den Hochsitz warf, trat ich gegen Mandenauers Stiefel. Er wachte augenblicklich auf. Ich sah an seinem Gesicht, dass er wusste, wo er war. Ich hätte das nicht gekonnt. Die einzigen mir bekannten Menschen, die es schafften, aus dem Tiefschlaf zu erwachen und sofort zu funktionieren, waren ehemalige Militärs. Je besser ich Mandenauer kennenlernte, desto interessanter wurde er.
Er nahm die Lichtung in Augenschein. „Nichts“, erklärte er.
Ich machte mir nicht die Mühe, auf etwas zu antworten, das keine Frage gewesen war.
Wir seilten unsere Gewehre ab, dann folgten wir ihnen nach unten und machten uns anschließend schweigend auf den Rückweg in die Stadt. Da Mandenauer zu mir aufs Revier gekommen war, musste er sich also irgendwo ein Auto besorgt haben, deshalb fuhr ich ihn nicht zu seiner Unterkunft, sondern setzte ihn da ab, wo ich ihn gefunden hatte.
Zee war schon gegangen, und an ihrem Platz saß nun ein neues Gesicht. Ich fragte mich, wo sie die hier aufgetrieben hatten. Sie sah aus wie zwölf mit ihrem feinen blonden Haar, den riesigen blauen Augen und ihrem Porzellanteint. Ohne diese Nase wäre sie hübsch gewesen. Das arme Ding hatte einen Höcker wie ein Habicht.
„Guten Morgen, Jessie“, zwitscherte sie.
Jemand hatte vergessen, ihr zu sagen, dass man mich vor dem Frühstück niemals ansprechen durfte.
Clyde musste schon auf uns gewartet haben, denn er kam fast im selben Moment aus seinem Büro gestürzt, als wir die Einsatzzentrale betraten. „Na los doch! Make my day!“
Das Mädchen murmelte: „ Dirty Harry
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