Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
„Was und wo?“
Sie strahlte. „Die Universität. Das Büro eines der Professoren wurde verwüstet.“
„Wieheißter?“,fragteich,aberichkanntedieAntwortbereits.
14
„Cadotte“, sagte sie. „William Cadotte.“
Was mir heute gerade noch fehlte, war ein Wiedersehen mit dem Mann, der letzte Nacht seine Zunge in meinem Mund gehabt hatte.
„Ich kümmere mich um den Gewaltangriff“, bot ich an, was ein deutliches Indiz für den Grad meiner Verzweiflung war.
Notrufe wegen häuslicher Gewalt waren die gefährlichsten. Man wusste nie, was einen erwartete, wenn Liebe sich in Hass verwandelt hatte. Abgesehen davon war ich, die selbst nie eine Familie gehabt hatte, bei dieser Art von Einsatz noch nie gut gewesen.
DieDispatcherinschütteltedenKopfundzerstörtedamitmeineHoffnung.„EinsAdamDreiistschondort.EinsAdamEins und Zwei sind auf dem Weg zu dem Unfall. Womit nur Sie übrig bleiben.“
Ich gab auf. Manchmal war das Schicksal wirklich ein hinterhältiges Biest.
Ich ließ jede Hoffnung, bald schlafen gehen zu können, sausen, holte mir im Gas n’ Go einen Kaffee und dazu noch einen Donut.
Der Weg zur Universität wurde mir allmählich ebenso vertraut wie der zu Cadottes Abstellkammer von einem Büro. Studenten, Lehrer und Sicherheitsleute stromerten ziellos im Eingangsbereich umher. Von dem Mann selbst war nichts zu sehen.
Die Menge teilte sich für mich wie das biblische Rote Meer. Trotzdem fühlte ich mich nicht wie Moses. Das Land, in dem Milch und Honig flossen, war meine Wohnung, und die erschien mir im Moment weiter weg zu sein als Ägypten.
Ich verglich mich selbst mit den Soldaten des Pharao. Wenn ich durch diese Menschen hindurchschritt und mitten in das Meer hineintrat, würde ich ertrinken, aber ich hatte keine andere Wahl. Befehle waren Befehle, genau wie sie es vor unzähligen Jahrhunderten gewesen waren.
Ich verharrte an der Türschwelle des Büros. Cadotte saß an seinem Schreibtisch und hatte die Stirn in die Hände gestützt. Mehrere seiner Kollegen sahen sich um, wobei sie versuchten, das Chaos nicht zu verändern.
AlshätteermeineGegenwartgespürt,sahCadotteplötzlichauf.UnsereBlicketrafensich.DieAtmosphärezwischenuns knisterte.IchwardieserSachemitWilliamCadotteeinfachnicht gewachsen.
„Jessie“, flüsterte er und stand auf.
Wäre ich nicht zuvor schon hier gewesen, hätte ich ihn vielleicht einfach für einen schmuddeligen Typen oder einen abgedrehten Intellektuellen gehalten, der Besseres zu tun hatte, als aufzuräumen. Aber ich war hier gewesen, und obwohl das Büro vollgestopft gewesen war, war das Zeug zu ordentlichen Haufen gestapelt gewesen. Nun lag es in jedem Winkel und über den ganzen Boden verteilt.
„Alle raus“, befahl ich.
Ich konnte nicht aufhören, Cadotte anzustarren. Obwohl er ebenso erschöpft zu sein schien wie ich, war er immer noch überaus ansehnlich. Allerdings stand sein Haar in alle Richtungen ab, so als wäre er sich mit nervösen Fingern immer wieder hindurchgefahren. Seine Brille steckte in der Tasche seines Hemds, sodass ich die dunklen Augen in seinem ungewöhnlich blassen Gesicht zornig funkeln sehen konnte. Er war wütend, und das konnte ich ihm nicht verübeln.
Bei mir war auch schon mal eingebrochen worden. Ich erinnerte mich noch immer daran, wie es sich angefühlt hatte zu wissen,dassirgendeinFremderinmeinZuhauseeingedrungenwar,meineSachenberührt,vielleichtsogarPrivatesgesehenhatte.IchhattedamalsGeldundmeinen CD -Playerverloren,abervielschlimmerwar,dassichfüreinesehrlangeZeitauchmein Sicherheitsempfinden verloren hatte.
Die Tür wurde geschlossen, und wir waren allein. „Was ist passiert?“, fragte ich.
„Ich bin das alles schon mit dem Sicherheitsdienst durchgegangen.“
„Und ich werde diese Informationen bekommen. Trotzdem will ich es von dir selbst hören.“
Er setzte sich auf die Schreibtischkante, was mich wieder daran erinnerte, wie anmutig er sich bewegt e – nackt bei sich zu Hause, im Reinen mit seinem Körper. Schon allein seine Haltung machte ihn attraktiv. Das schöne Gesicht, die stählernen Muskeln und sein immens große r … Verstand waren nur das Sahnehäubchen.
„Ich bin heute Morgen sehr früh zur Arbeit gekommen“, begann er.
Ich wollte fragen, warum, unterließ es aber. Wenn man eine Aussage aufnahm, war es immer das Beste, die Leute erst mal alles erzählen zu lassen, ohne sie zu unterbrechen. Man wollte nicht, dass sie etwas vergaßen, nur weil sie abgelenkt waren. Beim zweiten Durchgang war
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