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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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betrachtete.
    »Ich brauche keine Hirnszintigraphie, um zu wissen, was passiert ist. Es lag einfach am niedrigen Blutzucker. Ich habe heute Morgen nämlich vergessen zu frühstücken. Das ist alles.«
    Malachy Knox zog eine Augenbraue in die Höhe. »Das
erklärt zwar die plötzliche Bewusstlosigkeit, aber nicht das Knurren und Fauchen.« Er dachte nach. »Eine bessere Erklärung wäre, dass Sie eine Art Anfall erlitten haben. Wenn das tatsächlich so ist, würde uns wiederum eine Computertomographie weiterhelfen.« Wieder machte er eine Pause und presste die Finger der rechten und der linken Hand dabei gegeneinander. Offenbar wartete er auf eine Reaktion meinerseits. An der Wand über seinem Kopf hing ein Poster von William Wegman mit der Fotografie eines Weimaraners, der in derselben Haltung wie Malachy dasaß und eine Pfeife rauchte - mein Beitrag zu unserem Hinterzimmer.
    »Ich war einfach wütend, aber ich habe doch nicht gefaucht. Es war ein Ausdruck meines Widerwillens, der zugegebenermaßen nicht sehr professionell gewesen sein mag. Aber die Frau wollte, dass ich an ihrer Hündin eine Abtreibung vornehme, obwohl der Wurf in weniger als einer Woche auf die Welt kommen soll.«
    Ich rieb meine rechte Schläfe, um so den Ausbruch einer Monstermigräne einzudämmen. Gott, wie ich meine Hormone hasste! Ich hatte schon immer eine unregelmäßige Periode gehabt, aber seit meiner Infizierung litt ich jetzt auch noch unter unregelmäßigen Wolfszyklen. Es war wirklich zum Haareraufen!
    Malachy Knox fasste mich ans Kinn und zwang mich dazu, ihn anzusehen. »Ich war ja auch ein bisschen in Versuchung, diese Person anzuknurren. Aber - und das ist der wesentliche Unterschied - es ist mir gelungen, es nicht zu tun.« Er holte wieder die kleine Taschenlampe aus seiner Kitteltasche.
    »He, lassen Sie das. Das hatten wir schon.«

    »Sie blinzeln. Stört Sie das Licht?«
    »Es irritiert mich etwas. Natürlich.«
    »Und Ihr Kopf schmerzt. Also gut, Sie haben gesagt, dass Sie unter einem niedrigen Blutdruck leiden. Wie wäre es dann, etwas zu essen?« Malachy streckte mir eine Schachtel mit gezuckerten Donuts entgegen, die Pia immer neben dem Computer aufbewahrte.
    Leider kann ich nichts essen, wenn ich mich kurz vor der Verwandlung befinde. Etwa eine Stunde davor oder danach stopfe ich wie eine Wilde Proteine in mich hinein, aber etwas an diesem ganzen Knochenumgebaue schlägt mir regelmäßig auf den Magen. »Nein danke, momentan möchte ich gar nichts.«
    Malachy stellte die Donutschachtel wieder an ihren Platz zurück. »Als Sie aufgehört haben, diese unterdrückenden Medikamente zu nehmen, haben Sie sich einverstanden erklärt, mir sofort mitzuteilen, wenn Sie neue Symptome an sich bemerken. Schon vergessen, Abra?«
    Ich blickte in sein schmales, kluges Gesicht und überlegte, wie viel ich ihm sagen konnte. »Nun, die Sache ist die«, begann ich zögernd. »So etwas ist mir schon einmal passiert.«
    »Aha.«
    »Normalerweise habe ich es unter Kontrolle.«
    Unter Kontrolle hatte es im Grunde Red, der in solchen Momenten sicherstellte, dass ich nicht irgendwann zu mir kommen und mich nur noch vage an etwas Unaussprechliches erinnern würde. Oder dass ich überhaupt noch einmal zu mir kam. Im Gegensatz zu Hunter, meinem Ex, und Magda, seiner rumänischen Importware, war Red von Geburt an ein Gestaltwandler, was ihn dazu befähigte, den
wilden animalischen Anteil in ihm besser zu beherrschen als solche Neuzugänge wie wir.
    Obwohl Malachy mit seinem dürren, knochigen Körper weiterhin lässig auf seinem Stuhl lehnte, hatte er seine übliche Pose belustigter Distanziertheit aufgegeben und musterte mich jetzt mit beinahe raubtierhafter Schärfe. »Dann stellen Sie also mittlerweile auch zwischen den Mondzyklen Veränderungen an sich fest?«
    »Es ist nichts Bedeutendes. Nur manchmal ein kleiner Krampf oder eine gewisse Gereiztheit. Vergangenen Monat habe ich aus Versehen rohes Hackfleisch gegessen, was mir bis zu dem Zeitpunkt noch nie passiert war. Ehrlich gesagt, ich nahm damals an, dass es sich nur um etwas ungewöhnliche prämenstruelle Symptome handeln würde«, fügte ich hinzu.
    Malachy schwieg. Ich wartete. Ein absurdes Bild stieg vor meinem inneren Auge auf: ein Wolf à la Wegman mit einem Arztkittel und einer Brille auf der Schnauze. Je länger ich auf Malachys Antwort wartete, desto bewusster wurde ich mir allerdings der Patienten, die bestimmt noch immer draußen saßen und sich gewiss schon fragten, was die zwei

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