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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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haben.«
»Wir werden uns umhören«, sagte Flight. Seine Stimme hatte einen schärferen Ton angenommen.
»Tut mir Leid«, sagte Rebus. »Mal wieder ein typischer Fall, wo das Ei klüger sein will als die
Henne.«
Flight blickte erneut zu Rebus. Sie bogen gerade nach links in das Tor eines Krankenhauses. »Ich
bin keine Henne«, sagte er. »Und alles, was Sie zu sagen haben, möchte ich gern hören. Vielleicht
kommen Sie ja auf irgendwas, woran ich noch nicht gedacht habe.«
»In Schottland hätte das natürlich nicht passieren können«, sagte Rebus.
»Ach?«, sagte Flight mit leicht spöttischer Miene. »Und wieso nicht? Ist man oben im eiskalten
Norden zu zivilisiert dazu? Ich kann mich erinnern, dass ihr die schlimmsten Fußball-Hooligans
der Welt hattet. Habt ihr vielleicht immer noch, bloß dass die heutzutage aussehen, als könnten
sie kein Wässerchen trüben.«
Doch Rebus schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte nur sagen, dass das Jean Cooper nicht hätte
passieren können. Bei uns sind die Schnapsläden nämlich sonntags geschlossen.«
Rebus verfiel in Schweigen und starrte wie gebannt durch die Windschutzscheibe. Er behielt seine
Gedanken für sich, Gedanken, die sich auf einem sehr primitiven Niveau bewegten: Leck mich am
Arsch. Mit den Jahren waren diese vier Worte zu seinem Mantra geworden. Leck mich am Arsch. LMAA.
Es hatte nur einer zwanzigminütigen Autofahrt bedurft, bis der Londoner verriet, wie er
tatsächlich über die Schotten dachte.
Als Rebus aus dem Auto stieg, warf er einen Blick durch die Heckscheibe und sah zum ersten Mal,
was sich auf dem Rücksitz befand. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, doch Flight hob abwehrend
die Hand.
»Fragen Sie bloß nicht«, knurrte er und knallte die Fahrertür zu. »Und tut mir übrigens Leid, was
ich eben gesagt hab...«
Rebus zuckte nur die Achseln; gleichzeitig verzog er nachdenklich die Augenbrauen. Schließlich
musste es irgendeine logische Erklärung geben, weshalb ein Detective Inspector am Schauplatz
eines Mordes einen großen Teddybär hinten im Wagen sitzen hatte. Doch spontan fiel Rebus beim
besten Willen keine ein...
Ein Leichenschauhaus ist ein Ort, wo Tote aufhören, Menschen zu sein, und zu Plastiktüten voller
Fleisch, Innereien, Blut und Knochen werden.
Rebus war es noch nie an einem Mordschauplatz schlecht geworden, doch bei seinen ersten Besuchen
in der Pathologie war sein Mageninhalt im Handumdrehen zu einem potentiellen Untersuchungsobjekt
geworden.
Der Autopsieassistent war ein kleiner fröhlicher Mann mit einem kräftigen Muttermal, das ein
Viertel seines Gesichts bedeckte. Er schien Dr. Cousins recht gut zu kennen und hatte alles für
die Ankunft der Toten und des üblichen Polizeigefolges vorbereitet. Cousins kontrollierte den
Autopsieraum, während die Schwester von Jean Cooper behutsam in ein Vorzimmer geführt wurde, um
dort die offizielle Identifikation vorzunehmen. Es dauerte nur wenige tränenreiche Sekunden, dann
wurde sie mit tröstenden Worten von einigen Beamtinnen hinausbegleitet. Man würde sie nach Hause
fahren, aber Rebus bezweifelte, dass sie in dieser Nacht Schlaf finden würde. Und da er wusste,
wie lange ein gründlicher Pathologe brauchte, zweifelte er allmählich, dass irgendjemand von
ihnen noch vor dem Morgen ins Bett kommen würde.
Endlich wurde der Leichensack in den Autopsieraum gebracht und der Leichnam von Jean Cooper auf
einen Tisch gelegt, beleuchtet vom grellen Licht summender Neonröhren. Der Raum war antiseptisch,
aber alt. Die Fliesen an den Wänden waren rissig, und es roch penetrant nach Chemikalien. Alle
sprachen mit gedämpfter Stimme, nicht so sehr aus Pietät, sondern wegen einer merkwürdigen
Furcht. Schließlich war das Leichenschauhaus ein riesiges Memento Mori, und was jetzt mit Jean
Coopers Körper geschehen würde, würde jeden Einzelnen von ihnen daran erinnern, dass der Körper
zwar ein Tempel sein mochte, es aber möglich war, diesen Tempel zu plündern, seine Schätze zu
verstreuen und seine kostbaren Geheimnisse offen zu legen.
Eine Hand legte sich sanft auf Rebus' Schulter, und er drehte sich erschrocken zu dem Mann um,
der hinter ihm stand. »Mann« war nicht ganz der richtige Ausdruck. Dieses große, unfreundlich
aussehende Individuum hatte kurz geschorene Haare und das von Akne gezeichnete Gesicht eines
Jugendlichen in der Pubertät. Er sah wie ungefähr vierzehn Jahre aus, doch Rebus schätzte ihn auf
Mitte zwanzig.
»Sind Sie der

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