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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Vorstrafenregister. Ehrlich gesagt war er
unser erster Verdächtiger.«
»Ist doch klar.« Für jeden Polizisten war das eine unumstößliche Wahrheit: die meisten Morde
passieren innerhalb der Familie.
»Vor ein paar Jahren«, sagte Flight, »war Maria ziemlich übel zusammengeschlagen worden.
Krankenhausreif. Und das war Tommys Werk. Sie hatte ein Verhältnis mit einem anderen Mann, und
der zahlte nicht dafür, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ein paar Jahre davor hat Tommy mal
wegen schwerer Körperverletzung gesessen. Das Urteil hätte sogar auf Vergewaltigung gelautet,
wenn wir die Frau in den Zeugenstand gekriegt hätten, doch sie hatte furchtbare Angst. Es gab
zwar Zeugen, aber wir haben es nicht geschafft, ihm die Vergewaltigung anzuhängen. Also lief es
auf schwere Körperverletzung hinaus. Er hat elf Monate bekommen.«
»Also ein gewalttätiger Typ.«
»Das könnte man so sagen.«
»Dessen Brutalität sich hauptsächlich gegen Frauen richtet.«
Flight nickte. »Zunächst sah es ganz gut aus. Wir dachten, wir könnten ihm den Mord an Maria
anhängen und es auch beweisen. Doch es passte nichts zusammen. Fing damit an, dass er ein Alibi
hatte. Dann waren da die Bissabdrücke - nach Meinung des Zahnarzts nicht von ihm.«
»Sie reden von Dr. Morrison?«
»Ja, das stimmt. Ich bezeichne ihn immer als Zahnarzt, um Philip zu ärgern.« Flight kratzte sich
am Kinn. Seine Lederjacke knirschte am Ellbogen. »Jedenfalls passte nichts zusammen. Und als dann
der zweite Mord geschah, da wussten wir, dass wir es mit einem anderen Kaliber als Tommy zu tun
hatten.«
»Da sind Sie sich absolut sicher?«
»John, ich bin mir nicht absolut sicher, was für eine Farbe die Socken haben, die ich heute
Morgen angezogen hab, manchmal bin ich mir noch nicht mal sicher, ob ich überhaupt Socken
angezogen habe. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht das Werk von Tommy Watkiss war.
Der kriegt seine Kicks, indem er zu Arsenal geht, nicht indem er tote Frauen verstümmelt.«
Rebus hatte Flight die ganze Zeit angesehen. »Ihre Socken sind blau«, sagte er. Flight blickte
nach unten, stellte fest, dass es tatsächlich so war, und grinste breit.
»Und es sind unterschiedliche Blautöne«, fügte Rebus hinzu.
»Verdammt noch mal, das stimmt.«
»Ich möchte trotzdem mit Mr. Watkiss reden«, fuhr Rebus fort. »Hat aber keine Eile, und nur,
wenn's Ihnen passt.«
Flight zuckte die Achseln. »Was immer Sie wünschen, Sherlock. Können wir jetzt dieses Drecksloch
hier verlassen, oder möchten Sie noch irgendwas sehen?«
»Nein«, sagte Rebus. »Verschwinden wir von hier.« Sie gingen zur Einmündung der Sackgasse zurück,
wo Flights Auto stand. »Wie heißt dieser Stadtteil noch mal?«
»Shoreditch. Kennen Sie diese Kinderreime noch? Wenn ich mal reich bin, sagen die Glocken von
Shoreditch «
Ja, Rebus hatte eine vage Erinnerung daran. Eine Erinnerung an seine Mutter, die ihn auf dem Knie
hielt, oder vielleicht war es auch sein Vater, ihm Lieder vorsang und dabei mit dem Knie im Takt
wippte. So war es zwar nie gewesen, aber er hatte trotzdem eine Erinnerung daran. Sie waren jetzt
am Ende der Sackgasse angekommen. Vor ihnen befand sich eine große Straße, auf der um diese
Tageszeit viel Verkehr herrschte. Die Häuser hier waren schwarz vor Schmutz, die Fenster
ebenfalls völlig verdreckt.
Irgendwelche Büros und einige Lagerhäuser. Keine Geschäfte bis auf eines, das Geräte für
professionelle Küchen verkaufte. So wie es aussah, gab es keine Wohnhäuser, noch nicht mal
Wohnungen in den oberen Etagen.
Niemand, der mitten in der Nacht einen erstickten Schrei hören könnte.
Niemand, der durch ein ungeputztes Fenster sehen könnte, wie sich der Mörder blutbespritzt
davonschlich.
Rebus starrte noch einmal in die Sackgasse zurück, dann blickte er an dem Eckhaus hinauf, wo ein
kaum lesbares Schild mit dem Namen der Gasse angebracht war: Wolf Street EI.
Deshalb also hatte die Polizei den Mörder Wolfsmann genannt. Es hatte nichts mit der Brutalität
seiner Attacken zu tun, nichts mit den Zahnabdrücken, die er hinterließ, sondern einfach weil
hier, wie Flight gesagt hatte, soweit sie wussten der Ort seiner Geburt war, der Ort, an dem er
sich zum ersten Mal offenbart hatte. Er war der Wolfsmann. Er konnte überall sein, aber das war
relativ unwichtig. Wichtiger war, dass er irgendjemand sein konnte, einfach irgendjemand in
dieser Stadt von zehn Millionen Gesichtern, zehn Millionen geheimer

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