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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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würde Sullivan mehr als das brauchen, um Rodolfo des Mordes anzuklagen und ein Urteil zu erwirken.
    „Warum hast du mich angerufen?“ Angesichts meines ratlosen Blickes ergänzte er: „Du sagtest, dass du eine Nachricht hinterlassen hättest.“
    „Oh!“ Katies Armband . „Ich bin gleich wieder da.“
    Ich rannte nach oben, holte das Schmuckstück, lief zurück in den Club und zog Sullivan mit mir nach draußen, wo ich ihm das Päckchen in die Hand drückte. „Jemand hat das heute auf meinem Nachttisch hinterlassen.“
    Er schlug das weiße Taschentuch auseinander, dann sah er stirnrunzelnd hoch.
    „Es gehört Katie“, erklärte ich.
    Seine Augen weiteten sich, dann nickte er und steckte das Armband ein. „Ich werde mich darum kümmern.“
    „Danke.“
    Sullivan hatte seinen Wagen, einen marineblauen Crown Victoria, an der Bordsteinkante geparkt. Wir stiegen ein und schnallten uns an. Das Auto roch fast neu – kein Anzeichen von abgestandenem Rauch, Essensresten oder verschüttetem Kaffee. Die Fußmatten glänzten, genau wie das Armaturenbrett. Mich beschlich der Verdacht, dass er die Rückspiegel erst kürzlich mit Glasreiniger bearbeitet hatte. War dieser Mann menschlich?
    Die Frenchmen Street war eine schmale, zweispurige Straße, die hauptsächlich von Taxis befahren wurde. Mit einem Blick über seine Schulter vollführte Sullivan eine scharfe Wende, dann lenkte er den Wagen zum Polizeirevier.
    Ich klammerte mich noch immer an der vagen Hoffnung fest, dass der Mann in der Zelle nicht John sein würde. Meine Hoffnung zerbrach, kaum dass ich die Mundharmonika hörte, die gerade „When the Saints go marching in“ spielte, dabei war ich noch nicht mal nahe genug, um mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es Rodolfo war, der in das Ding blies.
    Um ihn herum waren noch einige andere Männer inhaftiert, allerdings schliefen sie alle um diese Uhrzeit. Wenn man den Charakter dieser Stadt und den bevorstehenden Mardi Gras berücksichtigte, war es allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass sie hackevoll waren.
    „Ich lass euch zwei allein“, verkündete Sullivan, und die Musik erstarb.
    Johns Kinn zuckte nach oben. „Anne?“
    Er hatte einen Bluterguss auf der Stirn. „Wer hat ihn geschlagen?“, fragte ich wütend und ballte die Fäuste.
    Sullivan hob abwehrend die Hände. „Niemand. Er ist gestolpert, als man ihn verhaftet hat.“ Mit gerunzelten Brauen musterte er Rodolfo. „Ist mit dem Kopf gegen eine der Kameras geknallt und hat die Linse zerbrochen. Ich werde mal nachsehen, ob sie inzwischen eine neue installiert haben.“
    Sullivan zog von dannen und machte leise die Tür hinter sich zu.
    „Du musst einen Anwalt anrufen, John.“
    „Ich habe niemanden umgebracht.“
    „Das habe ich mit keinem Wort behauptet.“
    „Also brauche ich auch keinen Anwalt.“
    „Offenbar bist du mit dem amerikanischen Justizsystem nicht recht vertraut. Man braucht immer einen Anwalt.“
    Mit vorsichtigen Schritten kam er über den Zementboden auf mich zu, dann blieb er auf der anderen Seite der Gitterstäbe stehen. „Früher oder später müssen sie mich rauslassen.“
    „Glaubst du das wirklich?“
    Er zuckte die Achseln.
    „Sullivan sagt, dass man dich neben einer toten Frau gefunden hat.“
    „Das haben sie mir auch gesagt.“
    „Stimmt es denn nicht?“
    „Ich weiß weder, wo ich mich befand, noch konnte ich sehen, wer oder was neben mir war.“
    „Ach, richtig, du erinnerst dich angeblich nicht, wie du dort hingekommen bist. Wo war dort?“
    „Storyville.“
    Mit gerunzelter Stirn versuchte ich, den Namen einzuordnen. Ich hatte ihn irgendwo schon mal gehört oder gelesen.
    Dann kam mir die Erleuchtung. Storyville war bis vor circa achtzig Jahren der einzig legale Rotlichtbezirk des Landes gewesen. Bis zum heutigen Tag hatte sich die Gegend ihre gefährliche Aura aus längst vergangenen Zeiten bewahrt – vor allem bei Nacht –, allerdings bezweifelte ich, dass man sie noch immer Storyville nannte.
    „Was um alles in der Welt hattest du dort zu suchen?“, fragte ich. „Den Tod?“
    Er zeigte mir wieder dieses spezielle Lächeln, das alles bedeuten konnte: ja, nein, hast du mir überhaupt zugehört?
    „Ich weiß nicht, warum ich dort war“, erklärte er geduldig. „Es geschah nicht absichtlich.“
    „Hattest du einen Blackout?“
    „In Ermangelung eines besseren Wortes, ja.“
    „Hast du früher schon mal dein Zeitgefühl verloren oder bist an einem unbekannten Ort

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