Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
und doch nicht ganz bei mir.
    Plötzlich riss ich die Augen auf. War da eben meine Tür ins Schloss gefallen? Jemand, der ging, jemand, der kam, oder überhaupt kein Jemand?
    „John?“
    Keine Antwort. Kalter Schweiß brach aus meinen Poren. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, meine Pistole nach New Orleans mitgenommen zu haben.
    Verärgert über meine Angst und nicht bereit, mich länger wie ein furchtsames Reh zu verhalten, knipste ich die Lampe an und ließ meine Hand an ihrem Fuß, um sie notfalls einem Eindringling an den Kopf schmeißen zu können.
    Aber da war niemand.
    Mir entfuhr ein leises Lachen, das sich eher wie ein nervöses Hüsteln anhörte. Wie ertrug John nur die Dunkelheit? Die Unsicherheit? Die Angst?
    Nur dass er nie unsicher oder ängstlich wirkte. Je länger ich ihn kannte, desto erstaunlicher fand ich ihn.
    Ich entdeckte das weiße Taschentuch erst, nachdem ich geduscht, für die Arbeit umgezogen und zum Nachttisch zurückgekehrt war, um das Kräutersäckchen zu holen. Da ich kein weißes Taschentuch besaß, reagierte ich verständlicherweise schockiert.
    Der Schock steigerte sich noch, als ich bemerkte, dass etwas darin eingewickelt war. Vermutlich hätte ich die Polizei alarmieren sollten, aber im Warten war ich noch nie besonders gut gewesen.
    Ich zupfte an dem Taschentuch herum und schrak zusammen, als der Inhalt freikam. Ich weiß nicht, was ich erwartete – einen abgetrennten Finger, einen Zeh, wahlweise einen Augapfel. Zu viele Horrorfilme in meiner Jugend, daran bestand kein Zweifel.
    Doch was dann aus dem weißen Baumwolltuch glitt, bevor es scheppernd auf dem Nachttisch landete, versetzte mich mehr in Panik, als es einer dieser Horrorfilme je vermocht hätte.
    Weil das Armband aus Sterlingsilber nämlich Katie gehörte.
    Sie hatte es in der Nacht ihres Verschwindens getragen. Ich erinnerte mich deshalb, weil wir uns wegen des Dings gestritten hatten.
    Die letzten Worte, die sie zu mir gesagt hatte, waren: „Du kannst dieses Armband tragen, wenn ich tot bin.“
    Typisch Schwester hatte ich geantwortet: „Ich kann es kaum erwarten.“
    Sie war aus dem Haus stolziert, und ich hatte weder sie noch das Armband je wiedergesehen.
    Bis jetzt.
    Meine Finger zitterten, als ich danach griff. Sie waren nur noch wenige Zentimeter davon entfernt, als ich das Blut und die Erde bemerkte und sie hastig zurückzog.
    „O Gott“, wisperte ich. War das Katies Blut? Und wenn ja, wer hatte das Armband dann hierher gebracht?
    Mich überfiel ein eisiges Frösteln, und ich schlang die Arme um mich. Wer war in meinem Zimmer gewesen? Und wann?
    Aber war das wichtig? Ich hatte eine weitere Spur in einem Fall, der trotz des Fotos, das Katie auf der Straße vor dem Club zeigte, so kalt war wie ein Januarmorgen. Ich würde mir sämtliche Hinweise schnappen, die ich kriegen konnte, und mich mit ihnen aus dem Staub machen.
    Nachdem ich das Armband wieder in das Taschentuch gewickelt hatte, schaute ich mich im Zimmer nach einem Ort um, an dem es sicher wäre, bis ich es analysieren lassen konnte.
    Andererseits war es vielleicht keine gute Idee, es ausgerechnet hier zu verstecken. Die Leute schienen nach Lust und Laune bei mir ein und aus zu gehen. Also schlich ich stattdessen hinaus auf den Gang und von dort aus in ein leeres Schlafzimmer, hielt dort ängstlich nach einem Altar Ausschau und stellte beglückt fest, dass keiner da war. Ich schob das umhüllte Silber unter die Matratze, dann kehrte ich in mein Zimmer zurück und rief Sullivan an.
    Ich erreichte nur seine Mailbox. Nie war ein Polizist zur Stelle, wenn man einen brauchte.
    Ich hinterließ eine Nachricht nach dem Piepton. „Ich muss etwas analysieren lassen. Kannst du im Rising Moon vorbeikommen, sobald du Zeit hast? Ich arbeite heute Abend.“
    Ich rannte die Treppe hinunter und wäre beim Betreten der Bar um ein Haar mit einem Gast zusammengestoßen. Das dichte Gedränge und vor allem die Qualität der Musik verrieten mir, dass John am Klavier sitzen musste, noch bevor ich in die Bühnenecke schaute und feststellte, dass ich recht hatte.
    King bedachte mich mit einem finsteren Blick. Ich war spät dran, und wir hatten viel zu tun. Die nächsten paar Stunden verflogen in einem Nebel aus Getränkebestellungen, Gelächter und Musik.
    Rodolfo war in Höchstform; er spielte ohne Unterbrechung, wirkte unermüdlich und von beinahe fanatischer Intensität. Ich stellte fest, dass ich das Ende meiner Schicht herbeisehnte. Würden wir gemeinsam die Treppe

Weitere Kostenlose Bücher