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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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werde Sie nicht lange stören«, erklärte sie. Außerdem
bin ich todmüde und völlig platt, fügte sie in Gedanken hinzu. »Nur eine Frage:
Hat Ihre Tochter sich fürs Bogenschießen interessiert oder fallen Ihnen Freunde
oder Bekannte ein, die dieses Hobby betreiben?«
    »Ja, sie hat mal so einen Kurs mitgemacht«, erwiderte Lindner sofort.
»Das ist aber schon eine ganze Weile her. Warum?«
    Johanna atmete tief aus. »Alle Kontakte, auch weit zurückliegende,
können wichtig sein«, erwiderte sie ausweichend. »Existieren noch irgendwelche
Unterlagen darüber?«
    »Ja, ich glaube schon. Sagen Sie mal, muss ich mir jetzt noch mehr
Sorgen machen?«
    Das ist doch gar nicht mehr möglich, dachte Johanna und überging die
Frage einfach. »Könnten Sie die heraussuchen, Herr Lindner?«
    »Ja, natürlich. Sofort?«
    »Das wäre am besten.«
    »Gut. Rufen Sie doch einfach in einer Viertelstunde noch mal an.«
    »Das mache ich gerne.«
    Johanna warf das Handy auf den Beifahrersitz und fuhr bei einem
Drive-in-Fast-Food-Laden vor, um sich mit einer schnellen, köstlich
schmeckenden und höchst ungesunden Mahlzeit zu versorgen und ihren plötzlichen
Heißhunger zu stillen. Dann rief sie erneut Lindner an.
    »Ich habe die Anmeldung für einen dreimonatigen Bogenschießkurs
gefunden, den Kati vor gut zwei Jahren mitgemacht hat. Ein Weihnachtsgeschenk
von uns.« Er räusperte sich. »Ich hatte den Eindruck, dass sie Spaß daran
hatte, aber als die Zeit um war, hat sie auf einmal doch nicht verlängern
wollen.«
    »Haben Sie eine Ahnung, warum sie ihre Meinung geändert hat?«
    »Nein – das heißt, ich habe keinen besonderen Anlass in
Erinnerung. Es war eben nicht mehr so spannend.«
    »Und Freundschaften sind in der Zeit nicht entstanden?«
    »Keine, von der ich wüsste.«
    Eigentlich war Kati keine besonders gesellige Frau, überlegte
Johanna – jedenfalls nach dem zu urteilen, was sie bisher in Erfahrung
gebracht hatte. Ihr Leben bestand aus dem Job, den sie sehr ernst nahm, einer
besten Freundin, die immer weniger Zeit für sie hatte, einigen flüchtigen
Bekanntschaften – so weit Johanna es einschätzen konnte –, diesen und
jenen Hobbys und wahrscheinlich Dutzenden von Büchern zu den verschiedensten
Themen. Sie lebte noch zu Hause, träumte von Aufbruch, eckte hier und da mit
ihrer lauten, direkten Art an und stellte sich sofort auf die Seite einer
Rebellin, fasziniert von deren flammenden Berichten über Wölfe.
    »Hat Ihre Tochter eigentlich viel Zeit vor dem Computer verbracht?«
Johanna stellte peinlich berührt fest, dass sie mit dieser Frage reichlich spät
kam – mal wieder. Sie vergaß häufig, dass sich heutzutage bei manchen
Leuten das ganze Leben oder zumindest ein großer Teil davon im Chat abspielte.
Kein Tag ohne E-Mail-Abruf. Du hast fünfzig Freunde auf Facebook. Vernetze
dich!
    »Das war … das ist nicht unbedingt ihre Welt«, erwiderte Lindner.
»Sie hat zwar einen Laptop, aber glücklicherweise ist er ihr nicht so wichtig.
Ein Arbeitsgerät und Hilfsmittel, wie sie selbst immer betont. Mir ist das sehr
sympathisch, dass sie lieber liest als im Internet zu surfen.«
    Darin ähnelt sie Lennart, dachte Johanna.
    »Na ja, egal. Sie möchten sicherlich die Adresse des Bogenschießvereins?
Haben Sie was zu schreiben?«
    Johanna notierte sich die Angaben.
    »Danke, Herr Lindner. Ich würde gern morgen einen Blick in Katis
Zimmer werfen – wenn Sie das zulassen können«, sagte sie leise.
    »Wenn es sein muss.«
    »Ich fürchte ja.«
    Johanna unterbrach die Verbindung, legte das Handy beiseite und fuhr
langsam nach Königslutter zurück. Ihr Kopf dröhnte. Duschen, essen, schlafen,
dachte sie. Nicht mehr und nicht weniger.

5
    Es war jemand ums Haus geschlichen. Emilie war ganz
sicher. Gegen Morgen hatte Flow geknurrt, wie sie ihn noch nie hatte knurren
hören. Seine Lefzen waren zurückgezogen, und das Grollen war tiefkehlig
gewesen. Kaum war die Sonne aufgegangen, hatte sie sich angezogen und war nach
draußen gegangen, Flow dicht an ihrer Seite.
    Fußspuren. Ihr Herz klopfte. Sie sah hoch. Der Elm lag behäbig und
wie eine Festung vor ihr. Während sie ins Haus zurückging und Kaffee kochte,
lief Flow immer wieder von einem Ende des Grundstücks zum anderen. Der Gedanke,
dass hier tatsächlich jemand mitten in der Nacht herumgestromert war, ließ
Emilie frösteln und verscheuchte den letzten Rest von Müdigkeit. Sie aß eine Kleinigkeit
und packte dann kurzentschlossen Proviant in ihren Rucksack. Es

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