Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
mich damit?»
«Wen sonst?»
«Wir haben nicht genug Leute, Laura.»
«Und was ist mit den Herren, die rote Streifen an den Hosen tragen? Ich meine die, die in diesem schrecklichen Gebäude sitzen!»
«Aber das sind Carabinieri, Laura. Die arbeiten sehr ungern mit uns zusammen. Nur in Ausnahmefällen, wenn von oben eine Anweisung kommt.»
«Und im Fall einer Haushälterin wie Signora Piselli gibt es keine Anweisung von oben?»
«Ich halte sie nicht für besonders gefährdet, Laura. Vielleicht war es nicht einmal eine Attacke, sondern Zufall, dass der schwarze Geländewagen auf sie zuraste. Diese Kerle fahren doch immer wie die Irren. Vielleicht hatte der gar nichts mit Altlander und der ganzen Sache zu tun, und Signora Piselli hat es nur in Zusammenhang mit dem Überfall auf Elsa Michelangeli gebracht. Du hast ja gehört, dass sie große Geschichten erzählt.»
Laura verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
«Möglich», erwiderte sie langsam. «Aber unwahrscheinlich. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass deine neue Hypothese etwas damit zu tun hat, dass sie Putzfrau ist. Jemand, der viel redet und den man deshalb nicht ganz ernst nehmen muss?»
Guerrini fuhr schnell und konzentriert. Er sah sie nicht an, schwieg einige Minuten. Und plötzlich ärgerte er sich. Diesmal war sie in seinen Raum eingedrungen.
«Glaubst du das wirklich?» Seine Stimme klang lauter, als er beabsichtigt hatte. «Glaubst du wirklich, dass ich sie vernachlässige, weil sie eine Putzfrau ist? Sie ist mir wesentlich lieber als dieser Enzo Leone, das kann ich dir versichern! Aber sie hat eine Familie, die sie beschützt. Das hast du ja gesehen, oder? Und ich garantiere dir, dass Leone außer dem Gärtner niemanden kennt, der ihn mit einem Gewehr verteidigen würde. Die Florentiner Homosexuellen gehen nicht auf die Jagd. Und ich garantiere dir auch, dass Leone weiß oder zumindest ahnt, wer hinter diesen Attacken stecken könnte. Die Piselli weiß es nicht, da bin ich inzwischen ziemlich sicher.»
«Aber sie hat möglicherweise einen entscheidenden Hinweis gegeben, Angelo. Wir müssen den Mann finden, der mit Leone unter dem Olivenbaum eine schnelle Nummer geschoben hat.»
«Irgendwie kotzt mich die ganze Geschichte an.» Guerrini bremste so heftig vor der Hauptstraße, dass der Lancia sich quer stellte.
«Du hast nicht oft mit Homosexuellen zu tun, oder?»
«Nein, und ich habe auch kein Bedürftnis danach.» Er wartete darauf, dass sie seine Fahrweise kommentieren würde, doch sie tat es nicht. Warum tat sie nichts von dem, was er erwartete? Auch das machte ihn ärgerlich und gleichzeitig unsicher.
«In München gibt es ziemlich viele, und die meisten sind wirklich nette Menschen.»
«Mag sein!», gab er heftig zurück. «Aber ich erinnere mich plötzlich an einen, der mich bedrängte, als ich vierzehn oder fünfzehn war. Ich hatte keine Ahnung, was er von mir wollte. Er hat mich ins Kino eingeladen, zum Eisessen. Er ist mit mir spazieren gegangen … alles ganz harmlos. Aber da war noch etwas anderes. Ich hab es lange nicht begriffen. Mir ist nur aufgefallen, dass er mich manchmal so seltsam ansah, dass er den Arm um meine Schultern legte, wie das Gleichaltrige auch machen. Aber er war zehn Jahre älter als ich. Und ich hab es einfach nicht kapiert, verstehst du? Ich bin immer mitgegangen und hatte ein seltsames Gefühl, aber ich hab nicht kapiert, was hinter diesen ganzen Vorbereitungen steckte.» Er fuhr jetzt langsamer. Die ersten Häuser von Asciano glitten an ihnen vorüber. Guerrini warf einen kurzen Blick auf Laura. Sie saß still da, hörte zu, schaute geradeaus.
«Ich habe es dann sehr schnell verstanden, als er dachte, dass er mich so weit hätte.»
«Was hast du gemacht?» Ihre Stimme klang sachlich.
«Ich hab ihn geschlagen und bin weggelaufen.»
«Und danach?»
«Wir haben uns nie wieder angesehen oder gegrüßt, obwohl wir uns immer wieder begegnet sind. Siena ist nicht so groß.»
«Nein», murmelte sie, und er fragte sich, weshalb er ihr diese Geschichte erzählt hatte. Woher sie überhaupt aufgetaucht war, diese Geschichte, von der er glaubte, dass er sie längst vergessen hätte.
Ein Lieferwagen versperrte die Straße, und sie mussten hinter einer Reihe anderer Autos warten. Ungeduldiges Hupen hallte von den Häuserwänden wider.
«Ich habe es ähnlich erlebt», sagte sie plötzlich, als er keine Antwort mehr erwartete, fast erleichtert über ihr Schweigen war. «Für Mädchen ist
Weitere Kostenlose Bücher