Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Trauma sitzt tiefer als eures.»
«Ich wollte, unseres würde so tief sitzen!» Guerrini lachte bitter auf. «Es ist typisch für mein Land, dass so etwas möglich ist. Wir haben uns nie wirklich mit unserem Faschismus auseinandergesetzt. Alle waren zufrieden, dass wir Mussolini aufgehängt haben, und damit basta . Haben wir damit nicht bewiesen, dass wir eigentlich unschuldig sind und es den Faschismus bei uns nie wirklich gab? Die Deutschen haben Hitler nicht selbst erledigt, aber wir Italiener unseren Mussolini! Faschismus? Das war nur Mussolini mit ein paar Irren. Tutto bene!» Guerrini hatte sich in Rage geredet, nahm die falsche Abzweigung und fluchte, als er wenden musste.
«Ja», murmelte Laura. «Bei uns hat es auch lange gedauert, bis zumindest die meisten kapiert hatten, dass es nicht nur Hitler mit ein paar Irren war.»
«Wahrscheinlich handelte es sich um eine kollektive Störung des Kurzzeitgedächtnisses. Kommt ziemlich häufig vor, wenn man Politik aufmerksam verfolgt. Wenn die Jahre dann vergehen, setzt das Langzeitgedächtnis aus. Eigentlich ganz praktisch, nicht wahr?» Guerrinis Stimme klang noch immer ärgerlich. «Wo ist denn diese verdammte Via degli Alberi?!»
«Vermutlich da, wo ein paar Bäume stehen», erwiderte Laura.
«Siehst du hier irgendwelche Bäume? Die Gegend wurde schon von den Römern abgeholzt.»
«Ehe du das Ende der Welt vorhersagst, Angelo: Da vorn stehen wunderbare Schirmpinien, Zypressen und Steineichen. Die Römer müssen sie übersehen haben. Vielleicht ist das die Via degli Alberi.»
Sie war es nicht, aber ein paar hundert Meter weiter zweigte sie nach links ab, wand sich einen Hügel hinauf, der tatsächlich schütter bewaldet war. Das Haus Nummer 35 sah aus wie ein ehemaliger Bauernhof. Hühner gab es noch immer, gigantische Hühner, offensichtlich eine spezielle Züchtung. Tauben saßen auf dem Dach, und ein braungefleckter Jagdhund bellte heftig, zerrte an seiner Kette, die an einer Schiene quer über den Hof lief und bei Laura den Eindruck erweckte, als sei es ein Hund mit Oberleitung. Unzählige Töpfe mit blühenden Geranien, Margeriten, Oleander und Kräutern standen auf den Stufen des Hauses und an der Mauer entlang.
Als Guerrini den Wagen vor dem Haus abstellte, öffnete sich ein Fenster im ersten Stock, ein verhüllter Kopf erschien, wurde enthüllt, als der Commissario ausstieg, und Angela Piselli rief: «Der Madonna sei Dank, dass Sie da sind, Commissario. Ich habe darum gebetet, dass Sie kommen.»
«Warum haben Sie mich stattdessen nicht angerufen, Signora?»
«Ich wollte Sie nicht belästigen, Commissario. Warten Sie, ich mache die Tür auf!»
Angela Pisellis Kopf verschwand, und gleich darauf wurde die Tür regelrecht aufgerissen.
«Kommen Sie herein, Commissario, und Sie auch, Signora. Wissen Sie, mein Mann hat gesagt, dass ich mich nicht so aufregen soll. Aber wenn er bei der Arbeit ist und ich ganz allein im Haus, dann stelle ich mir vor, wie der schwarze Wagen wiederkommt und dass einer auf mich schießt. Sie werden mich für verrückt halten, Commissario, aber seit dieser Wagen auf mich losgefahren ist, da muss ich dauernd an den seligen Signor Altlander und die arme Signora Elsa denken, und jetzt habe ich auch noch das Foto in der Zeitung gesehen.»
«Sie haben das Foto gesehen?», fragte Guerrini entgeistert.
«Mein Mann war heute früh beim Bäcker und hat die Zeitung mitgebracht. Er hat gelacht, als er das Bild sah, Commissario. Aber ich habe nicht gelacht. Auf dem Foto ist genau der Wagen drauf, der auf mich losgefahren ist. Und ich garantiere Ihnen, dass die immer noch hinter mir her sind.» Angela Piselli stand im halbdunklen Hausflur vor den beiden Kommissaren und rang nach Luft.
«Das ist einer der Gründe, warum wir hier sind, Signora», sagte Guerrini mit sanfter Stimme. «Das hier ist eine Commissaria aus Deutschland. Sie hilft mir bei der Suche nach dem Mörder von Signor Altlander, und wir haben noch ein paar Fragen an Sie.»
«Aber ich habe doch schon alles gesagt, Commissario. Ich weiß ganz und gar nichts mehr!»
«Vielleicht sollten wir uns in aller Ruhe irgendwo hinsetzen und gemeinsam überlegen, ob Ihnen nicht doch noch etwas einfällt, Signora. Und vielleicht können Sie uns auch dieses Foto in der Zeitung zeigen. Wir haben es nämlich noch nicht gesehen.»
«Wieso haben Sie es noch nicht gesehen, Commissario?»
«Weil ich noch keine Zeitung gekauft habe.»
«Ah!» Die kleine runde Frau starrte Guerrini
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