Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
bin ich.»
Er gab der offenen Fahrertür einen Tritt und blieb erschrocken stehen.
«Madonna», stieß er heiser hervor, war schon neben ihr, kniete nieder. Vorsichtig strich er die Haare von ihrer Stirn zurück.
«Vier Zentimeter», murmelte er. «Er hat dich nicht getroffen. Das war ein Glassplitter. Nimm du so lange die Pistole. Ich hol den Verbandskasten.»
Laura wischte ihre Hand an der Hose ab, umfasste die Waffe, prüfte die Sicherung. Der Lauf war noch heiß. Als sie wieder aufschaute, war Angelo bereits zurück, bedeckte die Wunde an ihrem Haaransatz mit einer Kompresse und legte einen festen Verband an.
«Hast du den Wagen getroffen?»
«Ich weiß es nicht. Du siehst aus wie eine Schwerstverletzte. Hast du irgendwo Schmerzen? Lass mich nachsehen, ob du noch andere Wunden hast.»
«Es geht schon wieder. Hast du irgendwas zu trinken im Wagen? Mein Mund ist so trocken … und mir ist schlecht. Hilfst du mir bitte auf? Ich möchte sehen, ob ich stehen kann.»
Guerrini zog Laura hoch, stützte sie. Kurz schwankte sie, fand tastend ihr Gleichgewicht, schaute an sich herunter. Bis auf die tiefe Schnittwunde am Kopf war sie unverletzt. Guerrini fand im Kofferraum eine Flasche lauwarmes Mineralwasser. Es war ihr egal. Sie trank es trotzdem fast aus, fühlte sich ein bisschen besser. Aber in ihren Muskeln war ein merkwürdiges Zittern, eine Art Frösteln, das sie nicht kontrollieren konnte. Langsam ließ sie sich wieder in die Hocke gleiten. Schaute zu Guerrini hinüber, versuchte dieses Zittern loszuwerden und dieses Gefühl, als müsste sie weinen, doch sie konnte nicht weinen. Alles steckte in ihr fest.
Guerrini stand ein Stück entfernt von ihr im Schatten der großen Pinie und sprach heftig in sein Handy. Sie beobachtete ihn, wie er jetzt mit gesenktem Kopf auf und ab ging, den linken Arm hob, eine weitausholende Bewegung machte. Es half ein bisschen, ihm zuzusehen. Er war am Leben. Sie beide waren am Leben.
«Ich war ganz sicher, dass er uns erschießen würde», sagte sie leise, als er zu ihr zurückkehrte. «Würdest du mich bitte festhalten? Nur eine Minute. Ich möchte spüren, dass wir beide noch am Leben sind.» Guerrini setzte sich neben sie auf den Boden, legte beide Arme um sie und drückte sie an sich. Laura spürte die Wärme seines Körpers, wartete darauf, dass dieser innere Krampf sich löste. Doch er ballte sich in ihrer Herzgegend zusammen.
«Ich hatte auch Angst. Unsere Chancen standen nicht besonders gut. Die Waffe klang wie ein Schnellfeuergewehr.»
Gut, es war gut, dass er darüber sprach. Sie holte vorsichtig Luft. Das funktionierte und auch ihr Kopf. Sie konnte denken und etwas sagen.
«Wir haben die Geschichte nicht ernst genug genommen, Angelo. Du musst sofort jemanden zum Schutz von Signora Piselli schicken.»
Guerrini löste seine Umarmung und begann Lauras Gesicht mit dem Rest des Mineralwassers und einem Taschentuch zu säubern.
«Ist schon geschehen», erwiderte er. «Tommasini und ein paar unserer Leute werden bald hier sein. Sie bringen auch die Spurensicherung mit. Sämtliche verfügbaren Polizeieinheiten suchen nach dem schwarzen Geländewagen. Er kann sich ja nicht jedes Mal in Luft auflösen.»
Laura dankte ihm im Stillen, dass er sie nicht fragte, wie es ihr ginge. Er wusste, dass sie mit sich selbst nicht im Reinen war, ließ ihr den Raum, sich neu zusammenzusetzen. So konnte sie einfach losreden.
«Weißt du, was mir Angst macht? Er muss uns beobachtet haben. Vielleicht schon in Siena, dann ist er uns zum Haus der Pisellis gefolgt und hat zugesehen, wie wir in Asciano Pizza aßen. Anders kann es nicht sein. Wie sonst hätte er uns finden sollen … hier auf diesem Hügel am Ende eines Feldwegs.»
«Möglich. Aber vielleicht ist er uns erst gefolgt, seit wir von den Pisellis nach Asciano zurückgefahren sind. Das bedeutet aber, dass er wirklich an Altlanders Haushälterin interessiert ist.» Guerrini rubbelte einen Streifen eingetrocknetes Blut von Lauras Hals. Es tat ein bisschen weh, machte das Lebendigsein wirklicher, ließ ihren Kopf besser arbeiten.
«Natürlich ist er das und inzwischen an uns ebenfalls. Also an allen, die mit Elsa Michelangeli, Enzo Leone und Angela Piselli Kontakt hatten. Möglicherweise sind auch diese seltsamen Kinderbuchautoren in Gefahr, und was ist mit dem Gärtner?» Sie konnte reden, richtig professionell mitdenken. War froh darüber und fand es trotzdem absurd.
«Im Zweifelsfall alle!», hörte sie Angelo sagen. Weiter,
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