Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
verwirrt an. Dann atmete sie tief durch und öffnete die Tür zur Küche. «Soll ich Kaffee machen?»
«Nein, danke. Aber ein Glas Wasser hätte ich gern.» Guerrini sah Laura fragend an.
«Ich auch.»
«Wirklich keinen Kaffee?»
«Wirklich nicht.
«Ja, dann …» Angela Piselli nahm eine große Plastikflasche aus dem Kühlschrank und füllte zwei Gläser mit Wasser. «Setzen Sie sich doch, Commissario, und Sie auch, Signora.» Sie rückte zwei Plastikstühle zurecht, und als Laura sich niederließ, bemerkte sie an der Wand eine Plastikmadonna, umrahmt von grellfarbigen Plastikblumen. Die Küche selbst hatte noch Form und Aufteilung einer alten Bauernküche. Nur die Resopalmöbel und der Plastikkitsch passten nicht hinein.
«Danke, Signora Piselli. Es tut mir leid, dass Sie solche Angst haben. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie für ein paar Tage zu Freunden oder Verwandten ziehen würden. Nur so lange, bis wir den Fahrer des schwarzen Wagens gefunden haben.»
Signora Piselli ließ sich schwer auf den einzigen Holzstuhl fallen.
«Seid ihr sicher, dass ihr den findet? Ich glaube, der ist verdammt schlau. Taucht auf und ist wieder weg. Schneller, als ihr überhaupt kapiert, was los ist!»
Guerrini klopfte mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf den Resopaltisch, schien es nicht zu bemerken.
«Ist er denn hier bei Ihnen aufgetaucht, Signora?»
«Ich weiß es nicht genau.» Ihre Stimme klang plötzlich rau, und sie flüsterte beinahe. «Einmal bin ich mitten in der Nacht aufgewacht und hatte ein komisches Gefühl. Der Hund hat gebellt. Da habe ich vorsichtig aus dem Fenster geschaut und links, hinter dem großen Feigenbaum, hat etwas geblitzt, und dann habe ich Reifen auf Kies gehört … Sie kennen das Geräusch, Commissario, dieses Knistern, und das Knistern ist den Berg hinunter. Erst viel später hab ich einen Motor gehört. Seitdem kann ich kaum noch schlafen. Mein Mann sagt, dass ich mir was einbilde. Er sagt, dass ich doch überhaupt nichts weiß von Signor Altlander, jedenfalls nichts, für das man einen Menschen umbringen könnte. Aber vielleicht weiß ich etwas, und ich weiß gar nicht, dass es etwas Wichtiges ist. Das hab ich meinem Mann gesagt. Aber er hat gelacht.»
Guerrini trank, verschluckte sich und hustete, brauchte ein paar Minuten, um den Redeschwall der Signora zu verkraften.
«Wir sind gekommen», sagte er endlich langsam und räusperte sich, «wir sind gekommen, Signora, um herauszufinden, ob Sie etwas wissen, das für Sie gefährlich sein könnte. Ich werde Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen, und Sie können in aller Ruhe überlegen, ehe Sie antworten.»
Sie legte die Hände auf ihre prallen Oberschenkel, richtete den Oberkörper auf und nickte.
« Allora … Sie haben mir bei unserem letzten Gespräch erzählt, dass Sie etwas gesehen haben, das Sie erschreckt hat. So sehr, dass Sie einen Grappa getrunken haben … erinnern Sie sich? Es betraf den Signor Leone und einen Gast.»
Angela Piselli senkte den Kopf und antwortete gar nichts. Guerrini wartete ein, zwei Minuten, dann räusperte er sich wieder.
«Haben Sie meine Frage gehört, Signora?»
«Jaja», murmelte sie, «über solche Sachen rede ich nicht. Wenn sich andere versündigen, dann ist das deren Sache, aber ich versündige mich nicht!»
«Ich will ja gar nicht wissen, was die andern da gemacht haben, Signora. Ich will nur wissen, wer mit dem Signor Leone zusammen war.»
«Es war zu dunkel!»
«Wie konnten Sie dann überhaupt was sehen?»
«Na, manche Sachen sieht man, ohne hinzuschauen. Das weiß man einfach, Commissario. Jetzt sagen Sie mir, dass Sie nicht sofort wissen, wenn zwei … entschuldigen Sie, Signora Commissaria.»
«Vielleicht … ja, wahrscheinlich. Aber das interessiert mich im Augenblick weniger. Es kommt darauf an, wer es gewesen ist, Signora!»
« Non lo so, non lo so! Ich weiß es nicht!»
Guerrini seufzte.
«Versuchen wir es anders, Signora. Könnte es sein, dass diese Person, die Sie nicht erkennen konnten – dass diese Person Sie gesehen hat? Sie standen ja vermutlich in der beleuchteten Tür zur Küche.»
Sie hob den Kopf und starrte ihn erschrocken an.
«Natürlich. Wieso habe ich nie daran gedacht? Er konnte mich sehen. Der Signor Leone aber nicht, denn der hat mir den Rücken zugedreht.»
«Ach, das konnten Sie also doch sehen?»
«Ja, aber mehr wirklich nicht, weil sie halb unter dem alten Olivenbaum standen, und die Äste reichen ganz tief herunter. Ich kann Ihnen die
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