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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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es nicht viel anders. Ich habe nichts kapiert und trotzdem gemerkt, dass es keine normale Kameradschaft war. Er war auch mindestens zehn Jahre älter als ich. Tolle Gespräche haben wir geführt. Ich fühlte mich ernst genommen, und trotzdem war da etwas Seltsames. Ich habe ihn nicht geschlagen, als ich es begriff. Ich war wie erstarrt, und dann bin ich weggelaufen. Mein Vater hätte ihn wahrscheinlich umgebracht, wenn er jemals davon erfahren hätte. Es war der Sohn seines besten Freundes, und ich war auch knapp vierzehn … so alt wie meine Tochter heute. Aber vierzehn war damals anders als heute – es war noch Kindheit. Wir wussten viel weniger als die Jugendlichen heute.»
    Der Fahrer des Lieferwagens kam aus einem der Geschäfte, machte angesichts der hupenden Autoschlange eine heftige, etwas unklare und doch deutlich vulgäre Armbewegung, stieg schnell in sein Fahrzeug und fuhr mit quietschenden Reifen an.
    «Denkst du oft daran?» Guerrini wollte es wirklich wissen. Die Geschichte passte nicht zu der Laura, die er kannte.
    «Nein. Ich denke nicht oft daran. Aber hin und wieder. Es war kein Trauma, nur eine Erfahrung. Danach habe ich aufgepasst. Ich glaube, dass man nur auf so naive Weise Opfer wird, solange man selbst noch nicht handeln kann und in einem Zustand der Unschuld ist. Wenn du selbst anfängst zu begehren, dann ändert sich das. Davor bist du Opfer, und jemand versucht dich zu manipulieren, um Macht über dich auszuüben.»
    «Hast du dir das selbst ausgedacht oder irgendwo gelesen?»
    «Selbst ausgedacht.»
    «Nicht schlecht.»
    «Hast du nie darüber nachgedacht?»
    «Nein, nicht wirklich. Kurz danach hatte ich meine erste Freundin. Ich habe es verdrängt – so würdest du es wahrscheinlich nennen, nicht wahr?»
    «Vermutlich.»
    Das faschistische Carabinieri-Revier tauchte rechts von ihnen auf.
    «Ich habe Hunger!», sagte Guerrini unvermittelt.
    «Es reicht ja auch. Pause!»
    Er wandte den Kopf und sah sie an, fürchtete irgendwie, dass sie lächeln könnte, um das intensive Gespräch zu glätten. Aber sie lächelte nicht. Ihre Augen waren ernst, und sie wich seinem Blick nicht aus.
    «Bene», sagte er nach einer Weile und räusperte sich. «Es gibt in Asciano eine Osteria, in der sie die beste Kartoffelpizza Italiens machen.»
    Guerrini bog nach rechts ab, parkte genau vor dem Carabinieri-Revier, steckte seine amtliche Plakette an die Windschutzscheibe und sah Laura fragend an.
    «Pizza di patate?»
    Sie nickte, und ihr Magen knurrte so laut, dass sie beide lachten.

«Ich finde, du solltest Tommasinis älteren Bruder dazu ermuntern, Enzo Leone ein bisschen zu erschrecken. Er hat doch einen schwarzen Geländewagen.» Laura ließ die Rückenlehne des Beifahrersitzes nach hinten gleiten, streckte sich wohlig aus und legte eine Hand auf ihren Bauch. «Die Pizza war sensationell», murmelte sie. «Hauchdünner Hefeteig, Kartoffeln halbgar kochen und in Scheiben schneiden. Den Teig damit belegen, frische Rosmarinnadeln draufstreuen, salzen und mit Olivenöl beträufeln. Dann backen. Luca und Sofia werden staunen, wenn ich so eine Pizza für sie mache!»
    Der Lancia stand seit zehn Minuten im Schatten einer großen Steineiche. Sie hatten die Türen geöffnet und warmer Wind zog durch das Innere des Autos. Wie eine flimmernde Fata Morgana ragten in der Ferne die Türme von Siena auf, wurden noch unscharfer, wenn Laura sie durch den Schleier ihrer Wimpern betrachtete. Guerrini hatte ebenfalls den Sitz nach hinten geklappt und döste vor sich hin.
    «Hast du gehört?» Laura stupste ihn leicht an.
    Er schüttelte den Kopf, hielt seine Augen fest geschlossen.
    «Geländewagen, Tommasini!», wiederholte sie.
    «Was?» Verschlafen öffnete er ein Auge.
    «Leone erschrecken!», fuhr sie fort. «Wenn wir ihn noch ein bisschen mehr aufregen, dann erzählt er uns sicher etwas, das uns weiterbringt.»
    «Möglich. Ich weiß nicht, was die in die Pizza gemischt haben, aber ich bin so müde, dass ich überhaupt nicht denken kann.»
    «Gar nichts. Sie war nur zu groß!»
    «Zehn Minuten Siesta … dann fahren wir nach Borgo Ecclesia, und ich rufe Tommasini an.» Er sprach undeutlich, schien eingeschlafen zu sein, ehe sie antworten konnte. Laura vermochte selbst die Augen nur mühsam offen zu halten. Es war diese wohlige Mischung aus vollem Bauch, einem Glas Weißwein und Hitze. Langsam drehte sie den Kopf hin und her. Irgendwo in ihrem Nacken saß ein winziger Schmerz. Sie konnte einfach keine völlig

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