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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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vor ihn hin. »Haben Sie sonst noch Wünsche?«
    Adrian runzelte die Brauen. »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Schon vor einer Stunde«, log Nell erneut.
    »Dann kann ich Sie also nicht dazu einladen, gemeinsam mit mir zu speisen?«
    Blackhole sah krank aus, eingefallen wie ein alter Mann, fand Nell, und Mitleid regte sich in ihr. Sie wäre gerne zu ihm gegangen, hätte ihm über das lockige Haar gestrichen, stattdessen sagte sie: »Ich habe heute viel zu tun, Sir! Wenn ich mich entfernen darf?«
    »Ja, ja.« Blackhole nickte schwach. »Gehen Sie nur.« Er blickte traurig zu ihr hoch. »Bin ich Ihnen eine Erklärung schuldig?«
    »Ich wüsste nicht, welche das sein sollte«, log Nell zum dritten Mal.
    Blackhole nickte langsam.
    Nell war an der Tür, als er sagte: »Haben Sie heute morgen schon mit Mister Drought gesprochen?«
    »Selbstverständlich.« Nell drehte sich um.
    »Hat er Sie informiert?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »In einer Stunde werde ich mit ihm das Haus verlassen. Wir haben in Canterbury zu tun. Es könnte länger dauern – vermutlich zwei Tage! Sie werden also solange Stairfield House hüten. Gates und Elsa habe ich heute Morgen schon informiert! Elsa wird ab morgen für Sie sorgen, genießen Sie also zwei freie Tage ... hier im Haus! Ich verlasse mich auf Sie!«
    Nell schluckte. Er übergab ihr die Verantwortung, anstatt einen Verwalter einzusetzen. Für zwei Tage würde sie die Herrin von Stairfield House sein.
    »Akzeptieren Sie es einfach«, lächelte Blackhole.
    »Ihre Entscheidung, Sir ... wird Mister Drought über alle Maßen brüskieren!«
    »Wir kennen uns lange genug, um uns nicht böse zu sein«, murmelte Blackhole.
    Nell war erneut versucht, ihn nach den Ereignissen der Nacht zu fragen.
    Gestern hatte er gekämpft wie ein Held und heute wirkte er verletzlich wie ein kleiner, sehr alter Junge. Liebte er sie? So undiskutabel dies auch war, konnten sie doch auf eine gewisse Art Freunde sein. Und Freunde sorgen sich umeinander, gehen ehrlich miteinander um.
    »Fragen Sie nicht«, flüsterte Blackhole, als habe er ihre Gedanken gelesen. »Ich habe entschieden.«
    Er war der Herr von Stairfield House, also deutete Nell eine Verbeugung an und verließ den Salon.
     
     
     
    Zwei Stunden später war sie alleine.
    Blackhole und Drought hatten sich auf den Weg nach Canterbury gemacht. Das Klappern der Hufe war noch nicht verstummt, als Nell einen wahnwitzigen Einfall hatte:
    Sie würde Blackholes Vertrauen missbrauchen!
    Sie würde Antworten auf ihre Fragen suchen. Sie würde sich Eintritt zu seinem geheimen Zimmer verschaffen.
     
     
     

7
     
    Bernard biss die Zähne zusammen. Die Schmerzen waren unerträglich. Im Eifer des Gefechts hatte er Blackholes Degenstich kaum bemerkt, nun hatte sich – wie üblich blitzschnell! - die Wunde entzündet. In seinem Oberarm pochten tausend Teufel. Der Stich hatte seinen Muskel durchbohrt. Meggy braute aus Teebaumblättern einen Sud und strich diesen über die Entzündung.
    Ein Wundbrand konnte zum Verlust des Arms führen, er hatte es bei anderen Kranken erlebt, hatte mehrfach die Ärmsten festgehalten, während irgendein versoffener Arzt dem Schreienden das Körperteil mit einer Säge abtrennte. Angst schlug über ihm zusammen und trieb Schweiß aus seinen Poren.
    »Du hast Fieber«, sagte Meggy, die sich rührend um ihn kümmerte und sogar den Blick in die Schnapsflasche weitgehend vermied. Sie strich Bernard über das nasse Haar. »Ich krieg‘ das schon in‘ n Griff, hab‘ keine Angst.«
    Er lächelte dankbar. Sein Blick schweifte durch das Quartier. Diese Herberge in der Fields Lane unterschied sich nicht von den vielen anderen Armenquartieren in London. Genaugenommen war es nicht mehr als eine verlauste Wohnung, ein großer Raum, in dem kein vernünftiger Mensch wohnen wollte. Die Bretterdielen bogen sich nach oben, aufgequollen von Feuchtigkeit. Auf den Wänden hatten sich schimmelige Inseln gebildet, eine schmutzige Weltkarte der Armut. Fließendes Wasser gab es nicht, dafür Töpfe, die, wenn sie mit Exkrementen gefüllt waren, kurzerhand aus dem Fenster geschüttet wurden, Fenster, deren Scheiben schon lange eingeschlagen worden waren, und vor denen jetzt speckiges Permanent den schlimmsten Wind abhielt. In den Boden waren Löcher eingelassen, durch die eine Flucht vor der Polizei die weiteren drei Stockwerke nach unten möglich war, Geheimgänge für Diebe, Hehler und Zuhälter. Im Moment war Bernard mit Meggy alleine, was

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