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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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waren mandelförmig geschnitten und wirkten unheimlich.
    Nell knallte die Schublade zu.
    Sie zitterte am ganzen Körper.
    Ein exotisches Buch, eine Glaskugel und eine Maske. Obwohl Nell keinen Zusammenhang erkennen konnte, wirkte das ganze wie ein Rätsel, zu dem noch einige Teile fehlten. Außerdem hatte dieser Raum eine düstere, lebendige Ausstrahlung. Die Wände sandten Schwingungen aus, die Nell ins Mark trafen. Erst jetzt betrachtete sie die verschlungenen Muster auf den Wandteppichen. Sterne, Monde, Nebel. In der Mitte ein Pentagramm, Schlangen mit zwei oder drei Köpfen, rotglühende mandelförmige Augen - Wolfsaugen.
    Lieber Gott, wie konnte Adrian Blackhole sich in dieser Katakombe wohlfühlen? Was verbarg sich hinter diesen gruseligen Indizien? Schwarze Magie?
    Nein, Blackhole war nicht der Mann, der sich mit so etwas beschäftigte. Er war ein erfolgreicher Kaufmann, dachte pragmatisch und schätzte die schönen Dinge des Lebens. Und doch war dies sein Zimmer!
    Nell war verwirrt. Eine unbestimmte Furcht stieg in ihr hoch.
    Unten schlugen die Hunde an.
    Es klingelte an der Pforte.
     
     
     
    Nell fuhr herum. Sie fühlte sich ertappt. Hatte sie etwas verändert? Nein, alles lag an seinem Platz. Sie verließ den Raum und zog die Tür zu.
    Wieder klingelte.
    War Blackhole zurückgekehrt? Sollte sie jetzt oder später abschließen?
    Es ging schnell. Sie verstaute den Dietrich und hetzte die Treppe hinunter. Sie stieß die Haustür auf. Blätter wehten über den Kies, Wind griff unter ihr Kleid und trocknete ihren Schweiß. Es war bitterkalt.
    Vor dem Tor stand ein Mann. Er lächelte ihr zu und verbeugte sich. Seine Kleidung war ihm um einiges zu klein, aber sauber und gepflegt. Lediglich die zottigen Haare und das Stirnband störten das Erscheinungsbild.
    »Was wollen Sie?«, fragte Nell. Sie atmete heftig.
    »Sir Blackhole erwartet mich.«
    »Er befindet sich auf einer Geschäftsreise.«
    Der Mann schien keineswegs überrascht. »Das dacht‘ ich mir, Madame! Mein Name ist Charles Prince. Ich bin der hiesige Fenstermacher. Sir Blackhole bat mich, die Fenster zu vermessen. Er möcht‘ `n paar Scheiben erneuern, aber das wissen Sie ja sicherlich.«
    Nein, das wusste Nell nicht. Sie wollte sich jedoch keine Blöße geben. Vermutlich hatte Blackhole vergessen, sie zu unterrichten. Kein Wunder, so erschöpft wie er heute Morgen gewesen war.
    Prince lächelte breit. »Ich kann aber genauso gut später wiederkommen, wenn Sir Blackhole wieder da ist ... allerdings wird’s dann ´ne Zeit dauern mit der Fertigung. Wir haben viele Aufträge.«
    Irgendwie kam dieser Mann Nell bekannt vor. Sie versuchte, ihn einzuordnen. War er schon einmal hier gewesen? »Kommen Sie rein, Mister Prince. Wird es lange dauern?«
    »Ach was – nur ´ne kurze Zeit!«
    Nell entriegelte das Tor.
    Prince schob sich an Nell vorbei.
    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg.« Nell überholte den Handwerker, der etwas humpelte, als habe er sich das Bein verletzt. »Hat Sir Blackhole Ihnen genaue Anweisungen gegeben?«
    »Na klar, Lady«, knurrte Prince.
    Liebe Güte, sie kannte diesen Mann. Sie hatte ihn schon einmal gesehen. Allerdings hatte er andere Kleidung getragen, zerfetzte Hosen, Lappen um die Füße ... und dieses Stirnband – um Himmel Willen!
    Sie schleuderte herum, starrte in die finstere Miene des Gauners und begriff. Sie sah den Schlag kommen, wollte ihm ausweichen, dann wurde es schwarz vor ihren Augen.
     
     
     
     

8
     
    Bernard hatte viele Schmerzen in seinem Leben ausgehalten, und zu den schlimmsten gehörten die, die er seiner Seele antat. Er hatte nie zu denen gezählt, die jammerten. Er war stets stolz darauf gewesen, zur richtigen Zeit die Zähne zusammenbeißen zu können. Das war wichtig, wenn man auf der Straße lebte. Männer, die Schmerzen zeigten, wurden ausgelacht und man bot ihnen an, Frauenkleider zu tragen. Als Junge hatte Bernard sich oft für einen Penny mit der Faust auf die Nase hauen lassen, um seine Mut zu beweisen. Die andere Art Härte zu beweisen, nämlich sich von oben bis unten tätowieren zu lassen, hatte er allerdings abgelehnt.
    Stunden, nachdem die Sonne untergegangen war, füllte sich der Raum mit plappernden lärmenden Menschen. Sie kamen von den Märkten zurück, warfen ihre Bauchläden in die Ecke und fielen auf ihre Lager. Manch einer stopfte sich eine Pfeife, pustete das Opium in den Raum und sank bald selig lächelnd in sich zusammen.
    Die Männer und Frauen waren seit morgens um drei

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