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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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eine Seltenheit war. Normalerweise bewohnten zehn bis fünfzehn Personen diesen Raum, soffen, spielten, stritten oder trieben es miteinander. Zwei Kinder waren darunter, ein Junge und ein Mädchen, verkommene armselige Geschöpfe, Kinder, die man abends mit Schnaps betäubte, damit sie nicht störten, wenn Pläne geschmiedet wurden oder irgendeine Hure für eine Handvoll Kartoffeln ihren Körper an grölende Betrunkene verkaufte.
    Bernard schloss angeekelt vor sich und dieser Welt seine Augen.
    Sofort übermannte ihn ein Traum.
    Er träumte ihn hin und wieder und stets verwirrte er ihn.
    Er sah sich als kleinen Jungen. Er spielte vor einem großen Haus in einer Sandkiste. Eine Frau mit einem weißen Kleid – Mom? – oh, wer bist du? – tanzte um ihn herum und ein kleines Mädchen, ebenfalls mit einem weißen Kleid bekleidet – Vicky, kleine süße Vicky! – sang ein Lied. Sie tollten auf einem gepflegten Rasen herum und ein schnittiger Windhund – Branko? Heißt du Branko? – spielte japsend und hechelnd mit ihnen. Die Sonne schien und ein hochgewachsener Mann – oh, Dad! Du bist es ... Dad! – öffnete eine Weinflasche und schenkte der Frau in dem weißen Kleid ein. Fröhlich sahen sie ihren spielenden Kindern zu.
    Schlagartig fegte eine Regenfront über das schöne große Haus, Blitze zuckten vom Himmel und die Bäume bogen sich im Sturm. Der Regen wusch die weiße Farbe vom Kleid der Frau, wusch das Grün der Rasenfläche weg, und Branko verwandelte sich in ein struppiges Monster, das, die Zähne gefletscht, vor den Kindern stand, die Ohren flach an den Kopf gelegt, die Augen blutrot vor Hass. Donner grollte über das Haus, ein Blitz spaltete das Dach des weißen Pavillons und Bernard brüllte nach seinen Eltern, die sich in flatternde Wesen verwandelten, die sich auflösten. Aus der undurchsichtigen Regenfront trat ein Schatten. Seine Hände hatte er vor sich gestreckt, sein Gesicht war eine silberne Maske und der Funken eines Blitzes fing sich in seinem Siegelring. Er lachte hallend und seine Maske glühte nun flammendrot.
    Bernard schrie –
    schrie seine Angst heraus ...
    ... und erwachte.
    Meggy drückte seinen Körper fest auf das Strohlager und flüsterte beruhigende Worte. Sehr langsam kehrte Bernard in die Realität zurück, die Schmerz und Fieber bedeutete.
    Schmerz – zu viel Schmerz!
    »Schick‘ nach Strock. Er und Dandy sollen es erledigen. Sie sollen dieses Weib zu mir bringen«, ächzte er.
    »Später, Bernard, später«, sagte Meggy. Ihr Atem roch nun doch nach Alkohol und ihre Augen waren trübe. »Es war nur ein Traum – nur ein Traum.« Sie weinte still und tonlos.
    »Ich will Blackholes Geliebte, will sie hier haben. Dieser Teufel soll leiden, soll wissen, wie es ist, wenn man etwas verliert, das man liebt.«
    Meggy schluchzte. Nebel und Mitleid lagen in ihrem Blick.
    Auf einer schwach entfernten Ebene wußte Bernard, dass sie fürchterlich unter seiner Rachsucht litt, dass sie ihn liebte und sich ein Leben mit ihm ausmalte, welches er ihr nicht bieten konnte. Er versuchte, ihre Gefühle zu ignorieren, aber in Wirklichkeit machten sie ihm Angst. Es war keine Liebe in ihm, zu sehr hasste er sich selbst. Er schwor sich, wenn er jemals gesunden würde, Meggy zu verlassen. Ohne ihn würde sie wieder frei atmen können. Er würde diesen Dreck und diese Stadt hinter sich lassen, vielleicht auf einem Schiff anheuern und in die Neue Welt segeln, wie es so viele taten, die es in dieser dreckigen Stadt nicht mehr aushielten.
    »Führe meinen Befehl aus, Weib«, knurrte er.
    Zufrieden und gleichzeitig erstaunt sah er, wie sie aufstand und den Raum verließ. Er starrte ihr eine ganze Weile hinterher und wieder versank er in Fieberphantasien.
     
     
     
    Nell goss sich einen Tee auf. Sie setzte sich auf Adrian Blackholes Stuhl und streckte die Beine aus. Ihre einzige Aufgabe an diesem Tag bestand darin, die Hunde zu füttern. Dies würde erst gegen Nachmittag der Fall sein. Bis dahin konnte sie sich in Stairfield House bewegen, als sei sie die Hausherrin. Niemand war da, der sie misstrauisch musterte, niemand, der ihr Anweisungen erteilte.
    Wie wäre es wohl, ein solches Haus zu besitzen? Wie wäre es, wenn sie einem Butler Befehle erteilen würde? Diese Gedanken waren so absurd, daß sie schnell ihre Augen öffnete und kicherte.
    Sie stand auf und ging durch das Esszimmer in die Empfangsdiele. Sie stieg die Treppe hinauf und verharrte vor Blackholes Zimmer. Drinnen war alles ruhig.
    Keine

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