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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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an.
    »Hat Strock den Auftrag erledigt oder wird es noch etwas dauern?«, fragte Bernard und seine Stimme klang als habe er rostige Nägel verschluckt.
    Meggy reichte ihm den Krug und er trank wie ein Verdurstender.
    »Er hat sie entführt, wie du es wolltest. Nell is‘ nix passiert, außer das sie Kopfschmerzen hat.«
    »Nell?« Bernard kniff seine Augen zusammen.
    »So heißt sie – oder dachtest du, sie hätte keinen Namen?« Meggy raffte sich auf und stemmte ihre Hände in die Hüften.
    Bernard grunzte. »Mmmh – und wo ist diese ... Nell jetzt?«
    »In der Hütte der alten Polly!«
    »Gut so. Wie geplant«, sagte Bernard. »In ein oder zwei Tagen werde ich wieder auf dem Damm sein und dann überlegen wir, was zu tun ist. Dieser Blackhole soll ...«
    »Wirst du sie töten?«, fuhr Meggy dazwischen.
    »Würde dich das stören?«
    »Saukerl!« Meggy drehte sich herum und warf ihren Kopf in den Nacken.
    »Meggy – entschuldige, aber ... ich verstehe nicht.«
    Meggy fuhr herum. Ihre Augen blitzten, und ihre Wangen waren rot. »Seit Wochen höre ich von dir immer den gleichen Satz: Meggy, entschuldige ! Verdammt, was glaubst‘e denn, wen du vor dir hast? Ich bin kein Spielzeug nich, mein Lieber! Entscheide dich endlich, wie du mich behandeln willst. Und wenn du zum Mörder wirst, kannst‘e mich sowieso vergessen! Mir so einem will ich nix nich zu tun haben.«
    »Aber Meggy ...«
    »... aber Meggy«, äffte sie ihn nach. »Immer geht es nach deiner Nase rum. Hundertmal musste ich mir deine Geschichte anhören und nun steh ich dabei, während du um Haaresbreite dein Leben verlierst. Und wofür das alles? Meinst’e die Vergangenheit rückgängig machen zu können, indem du hart bist wie ‘n Stein? Indem du Menschen tötest? Stell dir vor, was geschehen wäre, wenn die Bullen dich geschnappt hätten? Du würdest baumeln! Oder auf jeden Fall für die nächsten zehn Jahre in Newgate verschimmeln. Du widerst mich an! Du bist‘n elender Versager – ‘n Schwächling, du triefst vor Selbstmitleid, ICH HASSE DICH!«
    Sie starrte auf Bernard hinunter. Die Haare waren ihr in die Stirn gefallen und ihre Augen blitzen zornig. Sie stapfte hinaus und hinter ihr fiel die Holzbohle, die als Tür diente, klatschend auf den Fußboden. Staub wirbelte auf.
    Bernard glotzte ihr hinterher. Er träumte, anders konnte es nicht sein. Das war nicht die Meggy gewesen, die er seit Jahren kannte. Was hatte er Schlimmes angestellt, daß sie sich aus heiterem Himmel so aufregte? Offensichtlich hatte er weniger Ahnung von Frauen, als er ahnte.
    »Probleme, Kleiner?«, kreischte eine schneidende Stimme. »Ich habe deine Meggy auf der Treppe getroffen. Sie war völlig aufgelöst. Dachte, sie würde mir die Augen auskratzen. Und die sind mein Kapital.«
    »Du?«, stöhnte Bernard. Es war Polly, zahnlos und über siebzig Jahre alt. Ihre Beine waren verklebt von fauligem Flußschlamm, und ihre Kleidung war von Dreck aller Art steif wie ein Brett. Seit dreißig Jahren arbeitete sie als Schmutzfink. Sie wartete darauf, daß die Flut zurückging, um im Fluß nach Kostbarkeiten zu suchen. Knochen, Kupfernägel von Schiffen, die neu beschlagen wurden, oder Kohlen von irgendeinem Kohlekahn. Polly war noch nie krank gewesen, obwohl es höllisch war, im Winter durch den kalten, feuchten Schlamm zu waten, wie sie oft genug betonte. Im Gegensatz zu den meisten Schmutzfinken zwischen Vauxhall Bridge und Woolwich war sie durch ihre Arbeit weder blöde geworden noch abgestumpft.
    Sie wuchtete einen kleinen Eimer auf einen wackeligen Tisch. Kohlen kullerten über den Rand.
    »Vierzehn Pfund für ´nen Penny!«, sagte sie. Ihr üblicher Spruch, wenn sie Kohlen gesammelt hatte. »Und nun erzähl‘ mir mal, wie lange ihr noch meine Hütte braucht. Was versteckt ihr da?«
    »Einen Goldschatz, alte Hexe!«
    Polly kicherte. »Ganz der freundliche Bernard, aber mir soll‘s recht sein. So schlafe ich ein paar Tage in dieser angenehmen Unterkunft bei euch. Außerdem kann ich deine Pennys gut gebrauchen. »Vierzehn Pfund Kohle für drei Pennys!«
    »Halsabschneiderin«, stöhnte Bernard und drehte sich weg. Der Gedanke, noch mehrere Tage mit Polly in einem Zimmer schlafen zu müssen, schien ihm unerträglich. Sie alle waren schmutzig und verwahrlost, aber Polly stank bestialisch, ein Grund mehr, daß sie alleine in ihrer Hütte am Fluß lebte. Andererseits gab es kein besseres Versteck für Blackholes Geliebte. Niemand interessierte sich für die Bretterverschläge

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