Wolfstränen - Roman (German Edition)
Höllenfeuer, sagt er. Als dann alles vorbei war, hatte der Vater von mei‘m Freund den Verstand verloren. War völlig meschugge. Man ließ in einfach liegen und mein Freund brachte ihn nach Hause zu seiner Familie. Danach verlor die Familie alles, was sie hatten. Der Vater starb im Armenhaus, die Mutter beendete ihr Elend von eigener Hand.«
Nell war erschüttert. Mit einer solchen Tragödie hatte sie nicht gerechnet. »Und die Kinder?«
»Mein Freund wurde in ein Heim gegeben, wo man ihn schlug und peinigte. Einmal hat der Herbergsvater ihn aus’m zweiten Stock aus’m Fenster geschmissen und gebrüllt, er soll lernen zu arbeiten. Mein Freund riss aus und lebt seitdem auf der Strasse. Von seiner Schwester weiß er nix mehr. Die blieb verschwunden. Is‘ wahrscheinlich auch tot! Und jetzt weiß‘te auch, warum du hier bist.«
Wölfe, Magie, ein Siegelring! Was hatte das zu bedeuten? Über Nells Rücken strichen eiskalte Finger.
Ein roter Siegelring!
Adrian Blackhole trug diesen Ring. Er war ihr sofort bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen.
»Vor ein paar Wochen erkannte mein Freund den Mann wieder, der seiner Familie das angetan hat. Auf jeden Fall glaubt er das. Er is‘ richtig bekloppt vor Rachelust. Er sah ihn auf ‘nem Plakat. Der Mann nennt sich heute Der Große Makabros und tritt überall auf. Er is‘ ‘n berühmter Zauberer. Einer, der ‘ne silberne Maske bei seinen Auftritten trägt, damit ihn niemand erkennt. Und an der Hand hat er den Siegelring. Mein Freund is‘ sicher, daß der Gesuchte dein Sir is‘. Und da du seine Liebste bist, will er sich rächen, indem ...«
Die letzten Worte hörte Nell nicht mehr.
Silbermaske!
Siegelring!
Wölfe!
Der misslungene Überfall vor dem Hall Inn.
Ihre Entführung.
Alles wurde klar und deutlich.
Liebe Güte, Sie war dabei gewesen, sich in einen Magier zu verlieben, einen der Wölfe heulen lassen konnte, einen grausamen Mann, der Menschen in den Abgrund trieb. Konnte sie sich so in Adrian Blackhole getäuscht haben?
Sie war das Opfer einer Rache. Was würde man ihr antun?
Meggy starrte blind vor sich hin.
Auch in ihrem Gesicht fand Nell keine Antwort auf diese Frage.
10
Am nächsten Mittag war Bernard zwar noch nicht fieberfrei, aber er fühlte sich schon erheblich besser. Es bestand kein Zweifel daran, daß er dieses Wunder dem alten Franzosen zu verdanken hatte – und dessen Freunden .
Unter dem Hohlverband, den Margite ihm angelegt hatte, kribbelte und juckte es. Monsieur Margite hatte ihm eine Handvoll Maden auf die Wunde gelegt. Er hatte erklärt, daß diese Würmchen ausschließlich totes und schlechtes Fleisch fressen und danach einen Wirkstoff absondern, der entzündungshemmend ist. Er hatte ihm empfohlen, den Verband vier Tage zu tragen und beim entfernen keinen Schreck zu kriegen. Die Maden würden um ein vielfaches gewachsen sein und sich vermehrt haben. Bernard hatte seinen Ekel niedergekämpft und war nun froh darüber, dem Alten vertraut zu haben. Sogar die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Ja, es war ein Wunder! Er würde seinen Arm behalten.
Neben seinem Lager stand ein Blechnapf. Darin schwamm ein halber Fisch in einer fettigen Soße. Sogar ein Löffel lag daneben. Meggy hatte sich um ihn gekümmert.
Benard stützte sich auf den gesunden Ellenbogen und hangelte nach der Mahlzeit, als Meggy das Zimmer betrat. Sie balancierte einen fleckigen Krug.
Ihre Augen waren verquollen und ihre Haare unfrisiert. Sie wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab und kniete neben Bernard. Ihre Finger fuhren durch sein Haar. Die ganze Zeit über schwieg sie.
»Oh, Meggy ...« Bernard sank zurück und umarmte die Frau. Er zog ihren Kopf an seine Brust. »Oh, Meggy, es ist so schön, dich zu sehen.«
»Und du lebst. Das is‘ das wichtigste, lieber Bernard. Der Doktor hatte Recht mit seiner seltsamen Heilmethode«, flüsterte sie. »Ich hab‘ dir frisches Wasser mitgebracht.«
Er atmete den Geruch ihrer Haare und fühlte ihre feste Haut unter seiner Hand. Sanft strich er über ihren Rücken. Nein, er würde sie nicht verlassen – noch nicht! Etwas hatte sich verändert. Sie war mehr als eine Freundin für ihn. Sein Körper reagierte eindeutig. Er hatte Lust, sie zu küssen und zu lieben, hier und jetzt, und das, obwohl er krank war. Die aufwallenden Schmerzen in seinem Arm hielten ihn zurück. Seine Hand glitt von ihrem Körper und Meggy rollte sich weg. Sie strich sich ihre Haare aus der Stirn und blickte ihn lange und stumm
Weitere Kostenlose Bücher