Wolfstränen - Roman (German Edition)
Bart. »Eine kleine Wildkatze hat unser Berny da aufgetan. Ich dacht‘ immer, ihr feinen Persönchen seid langweilig!« Er kicherte. »Umso besser!«
Nell sprang auf. Ihre Arme waren, dank Meggy, frei. Als Strock dies sah, machte er große Augen. Damit hatte er nicht gerechnet. Er duckte sich und schlenkerte mit dem Oberkörper. »Spielen wir eben Fangen!«
Nell hopste hin und her. Sie ahnte, daß sie sich nur einen Aufschub gewährte. Dieses Monster würde sein Ziel erreichen. Und dafür mußte er ihr die Fußfesseln lösen.
Nell ließ sich zurück auf die Pritsche fallen. Ihr Kopf schlug hart an, doch sie ignorierte den Schmerz.
»Das is’ schon besser«, sabberte Strock und warf sein Hemd weg. Seine Brustbehaarung glänzte feucht. Er löste die Schnur, die seine Hose hielt und glotze dabei die ganze Zeit auf Nell herunter. »Du denkst, ich mach‘ die Fessel auf, was?«, keuchte er.
Schrecken pulsierten durch Nell.
Ihre Nackenhaare richteten sich auf.
»Getäuscht, Mädchen! Strock is‘ nich‘ dumm. Kannst auch was andres mit mir machen ...«
Nell trat ihm mit aller Kraft zwischen die Beine. Strock krümmte sich und schnaufte. Nell sprang auf die gegenüberliegende Seite des Verschlages. Sie stürzte und fiel lang hin. Sofort war Strock über ihr.
Nell drehte sich der Magen um. Sie würde nicht aufgeben – noch nicht! Sie rollte sich weg. Strocks Hand klatschte ihr ins Gesicht. Vor ihren Augen funkelten Sterne. Verzweifelt schlug sie gegen Strocks Bein, dorthin, wo die Hose blutig war, was mit einem wütenden Knurren quittiert wurde. Also hatte er dort tatsächlich eine Verletzung. Vermutlich hatte er sie sich bei dem Überfall zugezogen.
Etwas blitzte im Schein der Öllampe. Es war einen Zentimeter weit aus Strocks Stirnband gerutscht. Nell sah es nur für den Bruchteil einer Sekunde. Sie überlegte nicht, sondern griff zu. In ihrer Hand hielt sie ein Schnappmesser.
Strock fuhr hoch. Seine Finger tasteten das Stirnband ab.
Vergeblich suchte Nell den Öffnungsmechanismus.
»Nix für kleine Mädchen ...«, grunzte Strock und hob seinen Arm. Der Schlag würde höllisch sein. Nell zog den Kopf zwischen ihre Schultern.
Schnapp! machte es zwischen ihren Fingern. Das Messer öffnete sich. Strock sah das und glotzte verwundert. Alles geschah blitzschnell.
Nell stach zu.
Die Klinge fuhr über Strocks Gesicht, wischte wieder und wieder dorthin, wo Nell sein Grinsen vermutete.
Der Irre gurgelte und warf seinen Körper zurück. Er zerrte wie wild an seinem Stirnband. Große Augen starrten Nell an. Sein Mund schnappte auf und zu. Er wälzte sich zur Seite und fiel heftig mit den Armen rudernd die Treppe hinunter.
Es klatschte, als er im Wasser aufkam.
Das war Nells Chance. Aber was war, wenn er unten auf sie wartete? Sie schob sich zum Rand der Öffnung und starrte hinab. Strock lag im Wasser, alle Viere von sich gestreckt. Er stierte zu Nell hoch.
War er tot?
Konnte sie es wagen, die Treppe hinabzuklettern?
Vermutlich würde sie stürzen und auf Strocks Körper landen.
Während Nell fieberhaft überlegte, bewegte Strock sich. Er hangelte sich an der Leiter hoch. Seine Finger langten über den Rand der Luke.
Nell schrie auf und fuhr zurück.
Sie hob das Messer und stieß es mit aller Kraft in die Hand. Strock heulte auf und zog seine Finger zurück. In seinem Handrücken steckte das Messer. Der Verrückte brüllte, und die Worte, die aus seinem Mund drangen, klangen nicht mehr menschlich. Er hielt sich am Lukenriegel fest.
Für einen Moment begegneten sich ihre Blicke.
Strock nickte ganz langsam, dann blinzelte er hämisch, stemmte die Luke hoch und verriegelte sie von außen.
Dann geschah nichts.
Endlich platschte es.
Er war zurück ins Wasser gestürzt.
Stille.
In Schweiß gebadet und hektisch atmend lehnte Nell sich an den Stützpfeiler.
Himmel, sie hatte es vermasselt. Das Messer steckte in Strock und die Luke war wieder verriegelt.
Nell erwachte. Alpträume hatten sie gequält. Ihr ganzer Körper schmerzte. An ihren Händen klebte Blut.
Sonnenstrahlen drangen durch die wenigen Holzritzen.
Wie spät war es? Schon Mittag?
Ihr wurde siedend heiß, als sie sich an die letzte Nacht erinnerte. Hatte sie Strock getötet? Ihr wurde übel. Sie musste weg hier. Was gestern geschehen war, konnte nur der Anfang sein. Was plante man noch alles mit ihr?
Sie richtete sich auf. Ihr Kleid war dreckig und mit roten Flecken übersät. Sie hatte sich versündigt. Und sie bereute es
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