Wolfstraeume Roman
Ich überließ dieser Furie kampflos das Feld. Im nächsten Augenblick rollte ich auch schon beiseite. Blitzschnell sprang ich auf und stürzte mich auf das Männchen – also auf Hunter. Red hingegen rannte auf Magda zu, um sie von uns abzulenken. Schließlich war er der deutlich erfahrenere Kämpfer von uns beiden.
Eine Weile machten Red und ich alles richtig. Wir schafften es, die beiden in Schach zu halten. Doch plötzlich hörte ich ein schmerzerfülltes Jaulen. Als ich mich zu Red umwandte, sah ich, dass Magda ihm ein Stück Ohr abgebissen hatte. Was dann geschah, überraschte selbst mich. Ich sprang mit gefletschten Zähnen an Hunter vorbei auf Magda zu, um ihr ebenfalls das Ohr zu zerfetzen. In diesem Augenblick wollte ich keine biblische Rache ä la Auge um Auge, Zahn um Zahn, sondern ich verspürte nur noch den Wunsch, ihr Blut fließen zu sehen. Ich sah meine Gelegenheit und nutzte sie. Ganz einfach. In Sekundenschnelle hatte ich ihr Ohr in meinem Maul und genoss es, ihr gequältes Jaulen zu hören.
»Es reicht.« Auf einmal befand sich Magda wieder in Menschengestalt unter mir. Mein Wolfs-Ich verstand nicht so recht, was geschehen war. Dann spürte ich die Hände eines Mannes, die meine Schnauze energisch anhoben.
»Abra.« Es war das kleinere Männchen mit den freundlichen Augen. Es sah mich an, als wollte es mir einen Befehl geben, ohne so recht zu wissen, wie es ihn am besten formulieren konnte. In seinem Blick lag keine Herausforderung. Trotzdem sah ich zu Boden. Seitlich von seinem Kopf tropfte Blut, das ich probieren wollte.
»Sie hat Probleme«, sagte das kleinere menschliche
Männchen zu der Wolfsfrau. »So geht man mit niemandem um, der sich zum ersten Mal verwandelt.«
»Bring sie fort von hier. Sie soll aus meinem Territorium verschwinden«, entgegnete die Frau scharf. »Und sich hier nie wieder blicken lassen.«
Sie hatte ebenfalls eine Wunde am Kopf davongetragen und schien äußerst wütend zu sein. Neben ihr stand ein weiteres Männchen, auch in menschlicher Gestalt, obwohl es einen starken Wolfsgeruch ausströmte. Es kam mir irgendwie bekannt vor. Als sich unsere Blicke trafen, roch ich Zorn gemischt mit Lust. Auch das Weibchen nahm das Aroma wahr und brüllte daraufhin mein Männchen an, auf der Stelle zu verschwinden. Mein Männchen verlangte nach unseren Kleidern.
Ich spürte die Hand des Mannes auf meinem Nacken. Das beruhigte mich. Er führte mich in die Nacht hinaus und ließ mich in einen kleinen Raum aus Metall einsteigen. Dann erinnerte ich mich: Es war ein Auto. Er begutachtete seinen Körper. Er blutete an der Seite seines Oberkörpers, am Ohr und an seiner Stirn. Ich wimmerte, und er ging in die Hocke, damit ich ihn besser erreichen konnte. Vorsichtig leckte ich ihm die Wunden, bis sie aufhörten zu bluten. Dann leckte ich den Schweiß von seinem Gesicht – von Reds Gesicht. Auch daran erinnerte ich mich auf einmal wieder.
»Ach, Doc, wenn du es doch nur auch so meinen würdest.« Der Mann strich mir über die Schultern und kraulte mich hinter den Ohren. In meinem seltsamen Zustand grau eingenebelter Sehkraft und verstärktem Geruchssinn spürte ich, dass Red an mir hing, ja mir fast wie mein Partner folgte. Das gefiel mir. Vielleicht konnten wir ein Rudel
bilden. Ich versuchte ihm meine Gedanken mitzuteilen, doch er fing an, mir einen seltsamen Stoff über den Kopf zu ziehen. Zuerst zerrte ich mit den Zähnen daran. Ich hielt es für ein Spiel. Als ich jedoch Reds entschlossene Miene bemerkte, verstand ich, dass es ein wichtiges Zeichen der Unterwerfung war, und ließ es mit mir geschehen.
Als der Stoff um meinem Körper lag, fühlte ich mich auf einmal wieder anders.
»Doc? Abra?«
Ich hatte wieder meine menschliche Gestalt angenommen und war Frau genug, um mich dafür zu schämen, dass ich von der Taille abwärts nackt war. Die Wunde an meinem Schenkel hatte sich fast geschlossen, die kleinen Verletzungen an meinen Armen verheilten vor meinen Augen. Kein Wunder, dass Malachy Knox an diesem Virus interessiert war.
»Bist du wieder da, Abra?«
»Ja, bin ich.«
Red hatte den Motor angelassen und lenkte den Wagen auf die Straße hinaus. Zu meiner Überraschung hielt er nach einer Weile an. Da das Armaturenbrett nicht erleuchtet war, konnte ich seine Miene schwer erkennen. Er drehte sich zu mir und holte tief Luft. »Ich muss jetzt erst mal meine Sachen aus der Blockhütte holen. Morgen früh wird sie mich nicht mehr hineinlassen. Die Hütte liegt einfach zu nah an
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