Wolfstraeume Roman
niemand auf meine Mankos als Ehefrau und als Mensch aufmerksam machen konnte, bereitete ich das Abendessen vor. Hunter konzentrierte sich weiter auf seinen Computer. Da ich spürte, wie sich etwas in mir zusammenbraute und ich unruhiger und gereizter wurde, gab ich mir besondere Mühe, mich auf das Essen zu fokussieren. Ich schnitt, hackte und maß ab, ganz so wie in den Anfangszeiten meiner Collegelaufbahn, als ich noch selten gekocht hatte und es erst allmählich lernen musste.
Unsere Küche war im Grunde ein fensterloser Winkel, so dass ich immer wieder gedankenversunken ins Wohnzimmer hinüberblickte. Allerdings versuchte ich, dabei nicht den angespannt wirkenden Rücken Hunters anzusehen, der gereizt über seinem Artikel brütete. Nachdem ich das Gemüsechili so weit fertig hatte, dass es nur noch vor sich hinköcheln musste, blätterte ich mich durch vier Teile der New York Times, während ich insgeheim darauf wartete, dass Hunter von sich aus das Schweigen bräche. Um fünfzehn
Uhr war er noch immer in seine Arbeit vertieft. Ich beschloss, in eine Buchhandlung zu gehen. Um neunzehn Uhr kehrte ich schließlich von Barnes & Noble zurück, wo ich mir gerade einige Bücher mit Titeln wie »Hilfe, meine Ehe ist am Ende« angesehen hatte, als unsere Nachbarn von gegenüber Arm in Arm vorbeikamen und Bücher über Gärtnern und die Toskana in Händen hielten.
»Möchtest du ein Glas Wein, Hunter?«, fragte ich den Hinterkopf meines Mannes.
»Mm.«
»Rot oder weiß?«
»Egal.«
»Oder hättest du vielleicht lieber ein Glas Tippex?«
»Ha ha, sehr witzig.«
»Du hörst mir also doch zu.«
Hunter blickte von seinem Computer auf und sah mich so grimmig an wie ein Hund, der seinen Knochen bewacht. »Ich bin fast fertig«, sagte er. »Noch zwei Sätze, dann kann ich eine Pause machen.«
Seinem Tonfall nach zu urteilen schien er gerade in eine schwierige Operation vertieft zu sein, und ich hatte ihn gebeten, den Patienten doch bitte blutend liegen zu lassen und zum Essen zu kommen. Ich schluckte meinen Ärger hinunter und öffnete eine Flasche Merlot.
Als Hunter seinen Stuhl zurückschob und aufstand, blickte ich hoch. Er kam zum Esstisch. In Gedanken war er offensichtlich immer noch Tausende von Kilometern entfernt.
»Okay, hier bin ich«, sagte er, während er noch rasch ein Blatt mit Notizen überflog, ehe er es auf die Couch legte. »Was gibt’s zum Abendessen?«
Ich servierte ihm das Chili, wobei ich mir die größte Mühe gab, nicht zu zeigen, wie verletzt und verärgert ich war. So merkte ich auch nichts von Hunters Zorn, bis er den vollen Teller wütend über den Tisch schubste. Das Gemüsechili schwappte über und der Teller knallte mit voller Wucht an die gegenüberliegende Wand.
Für einen Augenblick starrte ich fassungslos auf die Scherben. Dann blickte ich meinen Mann über die Flamme einer dicken goldenen Kerze hinweg an. »Und was sollte das jetzt, wenn ich fragen darf?«
Hunter stieß einen langen, gequälten Seufzer aus und verbarg dann sein Gesicht hinter seinen Händen. Er antwortete, ohne mich anzusehen. »Ich habe dich nie darum gebeten zu kochen, Abra. Aber wenn du ankündigst, du würdest ein Chili machen, dann koch verdammt nochmal auch etwas, das ich essen kann.«
»Dir ist doch noch bewusst, dass ich Vegetarierin bin – oder?«
Hunter hob den Kopf und starrte mich wutentbrannt an. »Und ist dir bewusst, dass ich kein verdammter Vegetarier bin? Du sagst doch ständig, wie dünn und erschöpft ich aussehe. Wie krank.« Das Wort >krank< presste er heraus, als ob es sich um einen Fluch handelte. Dann wies er voller Verachtung auf meinen vollen Teller. »Hier, Liebling, mit einer schönen großen Tomate wirst du bestimmt wieder gesund. Natürlich aus dem Bioladen!«
Ich blieb ruhig, während Hunter aufstand, in seiner Jackentasche herumwühlte und schließlich eine Zigarettenschachtel herausholte. Bisher war ich davon ausgegangen, dass er vor über einem Jahr mit dem Rauchen aufgehört hatte. An der offen liegenden Ziegelwand lief das Chili
langsam über einen Holzschnitt, auf dem ein Hase dargestellt war.
»Hunter, willst du mir nicht sagen, was mit dir los ist? Hier geht es doch nicht um das Essen.«
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Dieses ständige In-der-Wohnung-Sein geht mir einfach wahnsinnig auf die Nerven. Wie soll ich hier über die Natur schreiben können? Ich komme mir wie ein Gefangener dieser verdammten Upper West Side vor!«
»Und warum gehst du dann
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