Wolfstraeume Roman
überreichte er mir ein Seidenhöschen, nachdem er mich in der Nacht zuvor das erste Mal betrunken erlebt hatte.
Aber Geburtstage – selbst runde und damit schmerzhafte – vergaß Hunter meist. Wenn man kein Geschenk besorgen muss, notiert man sich auch das Datum nicht im Kalender. So einfach war das. Wenn ich ihn an einem solchen Tag ins Kino eingeladen hätte, wäre er wahrscheinlich mitgekommen. Aber es kam mir irgendwie lächerlich vor – fast so, als würde ich auf einer Sonderbehandlung bestehen. Da erschien es mir wesentlich klüger, das Ganze gar nicht erst zu erwähnen.
Eigentlich hatte ich geglaubt, mich inzwischen an die Tatsache gewöhnt zu haben, dass sich mein Mann bei Geburtstagen oder sonstigen Feierlichkeiten keine Mühe gab – oder, wie Hunter es nannte, keine falschen Gefühle vortäuschte. Vielleicht bildete ich es mir also nur ein, dass er an diesem Morgen besonders gereizt erschien. Er wirkte abwesend und genervt, als er den Kaffee aufgoss und ich ihn fragte, ob er auch einen Toast wolle. Ich beschloss also, ihm nicht vorzuschlagen, nachmittags mit mir ins Kino zu gehen. Offenbar plante er sowieso, den Tag so zu verbringen, wie er auch die anderen Tage seit seiner Rückkehr aus Rumänien verbracht hatte – auf der Suche nach obskuren Büchern und Artikeln zum Thema Wölfe oder mit Kanadiern, die er für seine offenbar nicht enden wollende Geschichte interviewte.
Ich hatte keine Ahnung, was es mit den Kanadiern auf sich hatte. Möglicherweise gab es dort einfach mehr Leute als bei uns, die sich mit Wölfen auskannten.
Meine Mutter rief mich an, um mir zum Geburtstag zu
gratulieren. Sie wollte mit dem Zug nach New York City kommen und mir mein Geschenk persönlich überreichen. Da ich mich in einem schwachen Moment einmal bei ihr über Hunters seltsame Einstellung zu Geburtstagen und dergleichen beklagt hatte, kannte sie das Problem oder vielmehr die Theorien meines Mannes, was das Feiern betraf. Und wenn es etwas gab, das meine Mutter – ein ehemaliger B-Movie-Star- nicht begreifen konnte, dann war es meine Bereitschaft, mich mit solchen Dingen abzufinden.
»Du musst dich immer so verhalten, als erwartetest du nichts als das Beste. Sonst wird man dich wie einen Fußabtreter behandeln.« Das hatte sie mir schon mehr als einmal erklärt. »Wenn ich so herumdrucksen würde wie du, wäre ich garantiert nie über die Rolle der blonden Vampirbraut Nummer drei hinausgekommen.« Ich hatte des Öfteren das zweifelhafte Vergnügen gehabt, die Mienen der Zuhörer beobachten zu können, wenn sich meine Mutter zu einer ihrer Reden aufschwang, und hielt es deshalb insgeheim für nicht allzu erstrebenswert, als Diva aufzutreten.
Jedenfalls vertröstete ich sie auf das kommende Wochenende. Als Nächster rief mein Vater an. Er hatte mir zum Geburtstag einen Scheck geschickt, da er nicht wusste, was ich mir wünschte. Er berichtete von dem angeblich wahnsinnigen Exmann seiner Freundin Moon und lud mich dann ein, ihn doch mal wieder zu besuchen. Hunter erwähnte er mit keinem Wort.
Meine Freunde aus dem Institut würden mir bestimmt nicht telefonisch gratulieren, da wir uns sowieso am nächsten Tag wiedersahen. Zu meinen früheren Freunden und Bekannten von der Highschool und dem College hatte ich schon lange den Kontakt verloren. In vielen Hollywoodfilmen
wurde die Heldin meist von mindestens zwei besten Freundinnen aus der Kindheit begleitet, die immer noch etwas verrückter als sie selbst waren. Manchmal gab es dann auch noch einen dritten Freund, einen Schwulen, der der Gruppe Stil und ein smartes Flair verlieh, obwohl er in Wahrheit den tragischsten Charakter darstellte. Ich sehnte mich nach solchen Sidekicks und hatte mir schon öfter überlegt, ob ich nicht einfach eine Anzeige aufgeben sollte: »Hetero-Frau sucht schwulen Mann und andere Hetero-Frauen für Spaziergänge im Park, ausländische Filme, spontane Treffen in Cafes, liebevoll ausgesuchte Geschenke. Keine heimlichen Rivalitäten, kein plötzliches Verschwinden, keine Langweiler erwünscht.«
Natürlich konnte ich mir auch einen Hund anschaffen. Hunde wachten jedenfalls nicht eines Morgens auf und stellten fest, dass die Beziehung doch nicht mehr die richtige für sie war. Hunde logen einen nicht an und erfanden auch nicht irgendwelche Geschichten darüber, was sie angeblich getan hatten, während sie sich nach Alternativen umgesehen hatten. So wie ihre Verwandten, die Wölfe, liebten auch sie ein Leben lang.
Da ich mich etwas
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