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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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losgemacht und überließ Hunter nun die Führung.
    Er sah mich aufmerksam an. Ich glaubte, vor Glück zu strahlen. Tränen einer unendlichen Erleichterung stiegen mir in die Augen. »Ich würde dich ja gerne küssen, aber ich befürchte, dann würdest du ganz zerbröckeln.« Er warf einen Blick auf die Hornhaut, die in der Badewanne lag. »Ziemlich viel Gebröckel.«
    »Ich wasche mir am besten schnell das Gesicht«, schlug ich vor.
    »Und ich werde den Leichnam in der Wanne beseitigen.« Er sammelte die Stückchen tote Haut auf und warf sie in die Toilette. »Hast du das gesehen? Sogar mit bloßen Händen. Das muss wahre Liebe sein, Schatz.«
    Danach machte er keine Scherze mehr. Stattdessen liebten wir uns, langsam und vorsichtig – fast wie zwei Menschen aus Glas. Schließlich schlief ich in den Armen meines Mannes selig ein.
    Als ich der Institutsleitung am nächsten Tag meine Kündigung bekanntgab, begegnete man mir dort mit großer Zuvorkommenheit. Man ging offenbar davon aus, dass meine Kündigung eine Reaktion auf Malachy Knox’ Weggang
war, und warnte mich, nicht darauf zu hoffen, wieder einen Platz zu bekommen, falls ich es mir doch anders überlegte.
    Von meinen Kollegen zeigte sich Sam liebenswürdig verwirrt, während sich Ofer, wie es vorherzusehen gewesen war, zu dieser Entwicklung der Dinge recht sarkastisch äußerte. »Ich kann nicht glauben, dass du in die Pampa ziehst, um den Bauern zuzusehen, wie sie ihre Stiere mit bloßen Händen kastrieren«, erklärte er hochmütig.
    »Du wirst mir bestimmt auch fehlen, Ofer«, entgegnete ich kühl.
    Lilliana war die Einzige, die wusste, wie man richtig reagierte. »Du weißt, wie gerne ich dich mag«, sagte sie und lächelte mich traurig an. »Aber wenn es das ist, was du willst, dann freue ich mich für dich. Du wirst mir einfach nur sehr fehlen.«
    Sie kam mit, als ich den Gutschein für das Wellnesshotel einlöste, den sie mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Wir redeten an diesem Tag auch über Knox.
    »Übrigens«, meinte sie, als wir nebeneinander unsere Füße massiert bekamen. »Ich habe Mad Mal vor kurzem eine Mail geschickt.«
    »Ehrlich? Was hast du geschrieben?« Ich drückte auf einen Knopf, damit mein Stuhl zu vibrieren aufhörte und ich sie besser verstehen konnte.
    »Ich wollte nur wissen, was er jetzt so macht. Angeblich sieht er sich nach einer Art Labor außerhalb von New York um, wo die Mieten billiger sind.« Lilliana hielt ihre Füße in einen Miniwhirlpool und lehnte sich zurück. »Hm... Falls ich jemals reich sein sollte, kaufe ich mir genau so einen Stuhl für zu Hause... He, vielleicht zieht Mad Mal ja in
eure Nähe, und ihr beide könnt gemeinsam eine Tierklinik aufmachen. Für Unwölfe.«
    »Garantiert nicht – vielen Dank. Außerdem sah der Gute nicht gerade gesund aus«, merkte ich an. »Er hat so gewirkt, als ob er es nicht mehr lange machen würde. Fandest du nicht?« Ich dachte an den seltsamen Anblick, den er geboten hatte, ehe ich in Ohnmacht sank. Vielleicht gelang es ihm ja, seine Krankheit in den Griff zu bekommen? Oder sie verwandelte sich in etwas anderes...
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Knox noch ziemlich viel Kraft in sich hat«, erwiderte meine Freundin, während die Fußpflegerin ihren rechten Fuß aus dem Wasser nahm. Meine tat es ihr nach.
    »Du wirst Manhattan wahrscheinlich nie verlassen – oder, Lilli?«
    Sie grinste. »Wenn ich von hier wegziehen würde, hättest du doch nichts mehr zum Übernachten, wenn du mal zu Besuch kommst. Du weißt, wie wahnwitzig teuer die Hotels in dieser Stadt sind.«
    »Eine hübsche Farbe«, meinte meine Fußpflegerin, als sie begann, meine Zehennägel zu lackieren. Ich hatte den Nagellack von zu Hause mitgebracht, da ich den Namen der Farbe irgendwie passend fand: Wolfsblut.
    Nach den Stunden mit Lilliana im Wellnesshotel wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Es war das erste Mal in meinem Erwachsenenleben, dass mehrere Tage vor mir lagen, in denen ich nichts geplant hatte. Es fühlte sich geradezu unnatürlich an.
    Nach dem letzten Tag im tiermedizinischen Institut verließ ich allein das Gebäude. Es war ein unangenehm heißer Septemberabend, der Beginn des Altweibersommers, wie
es am Morgen im Radio geheißen hatte. Ich lief etwa einen halben Block lang die Straße hinunter, als mir auf einmal auffiel, dass ich noch immer meinen weißen Arztkittel trug. Ich zog ihn aus, faltete ihn zusammen und legte ihn mir über den Arm.
    Dann drehte ich mich ein

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