Wolfstraeume Roman
seinerseits mit einem Rottweiler, einem Golden Retriever, einem Yorkshireterrier, einem runzeligen Shar-Pei und einem lammartigen Bedlington Terrier daherkam.
Gerade als wir an den Hunden vorübergingen, fingen der Pudel und der Rottweiler heftig zu bellen an. Schon bald stimmten der Zwergterrier und die Shih-Tzus mit ein. Der Bedlington Terrier ging hinter den Beinen des Mannes in Deckung, während der Golden Retriever und der Husky ebenfalls loslegten. Der Erste jaulte wie ein Jagdhund, der Zweite gab ein tiefes Heulen von sich – wie ein Wolf.
»Mein Gott, Candy, halt sie bloß fest!«, rief der Mann und klammerte sich krampfhaft an die Leine des riesigen Rottweilers. »Deine Monster wollen wohl meine Babies verschlingen.«
»Normalerweise sind sie doch brav! Ruhig, mein Junge,
ganz ruhig!« Candy riss mit aller Kraft an den Leinen. Doch die Aggressivität des großen französischen Hundes schien den Husky und den Windhund anzustecken. Alle drei versuchten sich nun mit vollem Körpereinsatz von ihren Leinen loszureißen.
»Das war ja nochmal eine typische Manhattan-Szene«, sagte Hunter lachend und ging eilig an den Hunden vorbei.
»Vielleicht sollte ich kurz warten, um zu sehen, ob sie mich brauchen«, meinte ich und warf einen raschen Blick über meine Schulter, um zu sehen, wie sich die Situation entwickelte.
»Das geht uns nichts an, Abra.«
Während mich Hunter sanft, aber bestimmt wegführte, fiel mir bei einem letzten Blick auf, dass sich die Hunde bereits wieder zu beruhigen begannen. Nur der Husky und der Yorkshire bellten noch ein wenig.
Vielleicht lag es ja an meinem in letzter Zeit stark ausgeprägten Verfolgungswahn. Aber ich hatte den Eindruck, als würden sie sich gar nicht gegenseitig anbellen, sondern vielmehr Hunter meinen, der sich mit raschen Schritten von ihnen entfernte.
15
In dem meisten Romanen von Jane Austen sind es die flatterhaften, oberflächlichen Menschen, die sich nach den Vergnügungen der Stadt sehnen, während die nachdenklichen, gefühlvollen ausreichend innere Ruhe besitzen, um die stillen Freuden des Landlebens zu genießen. Zugegebenermaßen trifft das wohl eher auf die Verfilmungen der Ausren-Romane als auf die Bücher zu, die ich das letzte Mal im Alter von sechzehn Jahren gelesen hatte. Ich nahm es mir allerdings immer wieder vor, sie mir noch einmal zu Gemüte zu führen, vor allem wenn ich gerade wieder eine jener großartigen BBC-Verfilmungen mit einer Hauptdarstellerin gesehen hatte, die in einem taillierten Empire-Kleid durch die schlammigen Täler Englands stürmte und dabei einfach fantastisch aussah.
Es ist allerdings eine Sache, einer fotogenen Schauspielerin in einer saftig grünen Hügellandschaft zuzuschauen, jedoch etwas ganz anderes, sich auf einmal selbst in einem Haus mitten auf dem Land wiederzufinden und nicht zu wissen, was man bitte schön als Nächstes tun soll.
Wie bei allen Dingen, die man sich besonders schrecklich ausmalt, kam mir der Umzug zuerst gar nicht einmal so schlimm vor.
»Und? Wie findest du es, Abra?«
Hunter legte mir einen Arm um die Schultern, als wir unser neues Zuhause begutachteten. Der alte Familiensitz der Barrows lag versteckt zwischen gelben und roten Ahornbäumen. Der Weg, der auf das Haus zuführte, war mit duftenden Kiefernadeln bedeckt, und das Ganze wirkte auf den ersten Blick wie aus einem Märchen. An einer Mauer rankte sich das Efeu weit hinauf. Man konnte das bröckelnde Dach erkennen, dessen Ziegel an die Schuppen von Drachen erinnerten, dann den einsamen Spitzturm und die Doppelfenster im Speicher, die auf den düsteren Wald und den mit Weiden umrahmten Eingang hinabblickten. Entlang der nördlichen Seite des Hauses, wo die Sonne kaum hinreichte, waren die Schindeln feucht und schimmelig – vermutlich ein wahres Paradies für Kellerasseln und anderes Ungeziefer.
An diesem strahlenden Oktobertag wirkte das Haus nur etwas heruntergekommen und renovierungsbedürftig. Aber ich konnte mich noch gut an meinen letzten Aufenthalt im Winter erinnern, wo es bereits nach vier Uhr nachmittags dunkel geworden war und ich beim Anblick des Gebäudes an die Filme meiner Mutter hatte denken müssen.
»Einiges gibt es hier schon zu tun«, bemerkte ich etwas mutlos.
»Soll ich dich über die Schwelle tragen?« Hunter zeigte auf die Haustür.
»Nein, dafür bin ich doch zu schwer.«
»Gut, wenn du nicht willsr...«
Ich streckte die Arme nach ihm aus, und Hunter hob mich sogleich hoch.
»Wie willst du denn die
Weitere Kostenlose Bücher