Wolfstraeume Roman
Tür öffnen?«
»Wird schon gehen.« Er kämpfte eine Weile mit dem alten Schloss. Schließlich setzte er mich ab. Dann hob er gleichzeitig die Tür an, während er den Schlüssel im Schloss drehte. Endlich ließ sich der verrostete Mechanismus öffnen.
»Das muss dringend geölt werden.«
»Okay, Abs. Los, wir versuchen es noch einmal. Wir müssen das richtig machen.« Er hob mich erneut hoch und presste mich eng an seine Brust. Mir stieg der staubige Geruch alter Möbel und lange nicht geputzter Böden in die Nase. Als Hunter mich dann über die Schwelle trug, war sein Gesicht für einen Moment in Dunkelheit gehüllt. Dann legte er den Kopf zurück, um mich zu küssen.
Ich schlang die Arme um ihn und erwiderte seinen Kuss voller Leidenschaft. Gierig sog ich den Nikotin- und Wollgeruch ein, den er verströmte. Schließlich stellte er mich wieder auf die Beine.
»Wir haben viel zu tun, Abra.« Seine Hände schoben die meinen beiseite, so dass ich ihn losließ.
»Natürlich. Du hast Recht.« Ich holte tief Luft und blickte mich in der düsteren Eingangshalle um. Ein buntes Glasfenster warf ein grünliches Licht auf die große alte Standuhr und einen abgetretenen türkischen Teppich. Außer einer niedrigen Rattanbank, auf der ein Stapel alter Taschenbücher aus den siebziger Jahren mit Titeln wie Angeln für Anfänger und Schwester Angelicas Dilemma lag, gab es keine weiteren Möbelstücke. Schwester Angelica hielt sich mit einer manikürten Hand den Kopf, als hätte sie unter schweren Schmerzen zu leiden. Irgendwie verstand ich recht gut, wie sie sich fühlen mochte.
Ich spürte das leere Haus um mich herum – sein Labyrinth
aus Zimmern, Hintertreppen und seltsam altmodischen Speisekammern, die seit jener Zeit, als die Frauen selbst während der Schwangerschaft noch ein Korsett trugen, nicht mehr renoviert worden waren. Bei meinem letzten Besuch hatte ich mich verirrt und immer wieder Dinge zu erleben geglaubt, die ich bis dahin nur mit meiner Mutter in Zusammenhang gebracht hatte – eine mysteriöse Kälte, Luftzüge in fensterlosen Zimmern, unheimliche Geräusche hinter den Wänden.
»Das Haus steckt voller Geschichten«, meinte Hunter einmal lapidar und zeigte mir einen Schrank aus Zedernholz, in dem eine Ahnin gestorben und zwei Monate lang nicht entdeckt worden war.
Jetzt wohnte ich hier.
Und Hunter war bereits verschwunden.
Mit wild pochendem Herzen ließ ich die Eingangshalle hinter mir und machte mich auf den Weg in das blutrot gestrichene Speisezimmer. Von dort aus schlich ich über knarzende Bodenbretter in die völlig heruntergekommene Küche, wo die schweren Möbel mit den Klauenfüßen von einem hässlichen Linoleumboden aus den siebziger Jahren und verrosteten beigefarbenen Küchengeräten verdrängt worden waren. Hier fand ich zum Glück auch meinen Mann.
»Hunter, ich habe dich schon gesucht.« Ich bemühte mich, nicht hysterisch zu klingen.
»Wollte nur kurz nachsehen, wie es mit Essen aussieht.«« Er schloss einen riesigen alten Kühlschrank. »Aber natürlich ist nichts da.«
»Ich könnte rasch einkaufen fahren...«
»Vielleicht später. Die Möbelpacker sollten bald kommen.
Wenn sie wieder weg sind, könnten wir in den nächsten Supermarkt fahren.« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr ruhelos und seltsam energiegeladen fort, die Küchenschränke und Schubladen zu öffnen und wieder zu schließen. Ich hingegen wusste nichts mit mir anzufangen. Er warf mir einen Blick über die Schulter hinweg zu. »Wie wäre es, wenn du hier erst mal etwas aufräumst, während ich mich im restlichen Haus umsehe? Ich bin mir sicher, dass du keine Lust haben wirst, auf dem Herd zu kochen, ehe du ihn nicht gründlich saubergemacht hast. Stimmt doch, oder?«
Mir wäre es zwar lieber gewesen, gemeinsam mit ihm unser neues Zuhause anzusehen, aber ich hatte es ja auch schon früher einmal in Augenschein genommen. Außerdem wollten wir am Abend in der Lage sein, hier unser erstes Essen zu uns zu nehmen.
»Gut, einverstanden.«
»Schön.« Hunter gab mir einen Kuss auf die Stirn und verließ die Küche. Als er bereits am Fuß der geschwungenen Treppe stand, blieb er stehen und drehte sich nochmal zu mir um. »Ist das wirklich okay?«
Ich hielt gerade eine Kristallflasche mit Olivenöl hoch, die auf dem Tisch stand. Der Verschlusskorken war von einer Maus zur Hälfte weggenagt worden, die sich dann durch den schmalen Flaschenhals hineingezwängt hatte. Jetzt schwamm sie tot in der
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