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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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aufgegeben sein musste. Auf dem Herd standen zwar immer noch Töpfe und im Küchenschrank fand ich säuberlich übereinander gestapelt Tassen, Teller und Besteck. Aber es war kalt hier drin. Und weder im Kamin noch dem Ofen fand ich Asche. Alles war so sauber. Als hätten die Bewohner das Haus geputzt bevor sie gegangen waren
      Kälte kann vieles. Doch gegen den Geruch, der mir nach kurzer Zeit in die Nase stieg, konnte sie nicht ankommen. 
    Ich stieg in den zweiten Stock hinauf.
    Der Hausherr hing an einem Strick von der Schlafzimmerdecke. An dem Haken, an den er den Strick geknotet hatte, hing zuvor der Leuchter. Er hatte ihn abmontiert und aufs Bett gelegt, Und danach sogar die Tagesdecke wieder glatt gezogen.
    Im Ankleideraum nebenan fand ich seine Frau und ihr Kind. Sie hatten Einschusslöcher in der Stirn. Die Frau hielt ihr totes Kind im Arm, als hätte sie es noch zu schützen versucht. 
      Er musste sie mit seiner Pistole in das Zimmer getrieben haben. Sie wussten, was er mit ihnen vorhatte. Ihr Anblick machte mich fast wahnsinnig.
    Ich trug die Sachen eines toten Mannes und kam aus einem KZ. Man sollte meinen, das Lager hätte mich für den Rest meines Lebens für anderer Schmerzen und Sterben unempfänglich gemacht. Aber das hat es nicht. Ein paar hundert achtlos übereinander geworfene Leichen hinter einem Stacheldrahtzaun sind nichts. Jedenfalls nichts in dem Sinne, in dem Menschen Menschen sind. Was dort übereinander gestapelt wurde, waren keine Menschen mehr. Sondern bloß Schalen: gesichtslos, entkernt, wie Laub im Wind.
      Wenn du im Magen eines Tieres existierst, lernst Du im Rhythmus seines Herzschlages zu leben. Und Existenz heißt da wie überall sonst Gewohnheit. Gewohnheit ist das Einzige, was dich dort vor dem Irrsinn schützt. Im Lager lauerte der Tod hinter jedem Gesicht, jeder Minute, jeder Sekunde, jedem Stein, jedem Stück Stacheldraht. Doch die Lager waren die Ausnahme.
      In den Lagern haben sie versucht selbst die Toten noch davon zu überzeugen, dass ihnen der Makel, der sie dahin gebracht hatte zu Recht anhaftete.
    Gleich, wie hoch Asche und Schädelberge auch wuchsen – die Lager waren nicht das Leben, die Lager waren nicht Normalität. Du musstest nur einen Blick über den Zaun werfen und wusstest, dass jede Gefängnismauer immer auch zwei Seiten hatte. Und, dass der Sinn einer Gefängnismauer genauso darin besteht, die Gefangenen von den Freien zu trennen, wie die Freien von den Gefangenen.
      Der schlimmste Fehler, den ein Gefangener also machen kann, ist die Mauern um sich herum als das Ende der Welt zu akzeptieren. Diesen Fehler habe ich nie gemacht. Selbst in den schlimmsten Zeiten wusste ich, dass es außerhalb des Zaunes ein anderes Leben gab und dieser Mann an der Schlafzimmerdecke hatte es sinnlos verschwendet.

Paris / 1969
     
    „ Verstehst Du das?“ fragte Wajda. Natalie hatte ihre Augen geschlossen und die Hände in den Schoss gelegt. Der schweigsame Araber steckte seine Gebetsschnur weg und begann wie ein gefangenes Tier am Maschendraht des Käfigs entlang hin und her zu laufen.
    „ Was? Dass man sich zwar an riesige Leichenberge gewöhnen kann, einen aber zwei einzelne Tote in einem einsamen Haus fast zum Irrsinn treiben können? Ich weiß nicht genau. Vielleicht ist es so wie mit einigen der Mädchen, die zwar jeden Tag ihre Freier dranlassen, aber irgendwo einen Typen haben, von dem sie sagen, dass er ihr Mann ist. Die vögeln so oft, dass man denkt, sie müssten mal genug davon haben. Oder, dass es wenigstens irgendwann nur noch dasselbe ist. Trotzdem erzählen sie Dir immer, dass es mit ihren Männern zu Hause immer noch was anderes sei. So ungefähr?“
    Der Araber brachte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jacketttasche hervor, steckte sich eine an. Er bemerkte Wajdas neidische Blicke. Trat auf ihn zu. Schüttelte schweigend eine Zigarette aus der Schachtel.
    Wajda griff zu.
    „ Merci …“
    Der Araber nickte, gab ihm Feuer und setzte seinen Marsch den Käfig entlang ungerührt fort.
    „ Und ist es nun so, Wladislaus? Wie mit den Mädchen und ihren Typen?“
    „ Ja – so ähnlich.“
    Natalie pflückte ihm die Zigarette von den Lippen, stubste die Asche zu Boden, steckte sie sich zwischen die Lippen.
    „ Erzähl Wladislaus? Was hast du in dem Haus gemacht?“

Ich ging wieder herunter und suchte  nach der Speisekammer. Ich fand ein paar Konserven und eingekochte Marmelade. Mit denen ich mich nicht erst lange aufgehalten habe. Hinter den

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